Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie
Das Zimmer ist zwar nicht groß, aber das Geheimnis, das es umgibt, ist groß, und als er sich, neben mir stehend, darin umschaut, schweigt er, auf seinen Lippen erscheint wieder diese Andeutung eines Lächelns, das sich nicht vollendet, ich habe das Gefühl, als beobachtete er mich, als wartete er auf meine Frage, aber ich beende den Rundgang und strecke mich auf dem Sofa aus, das ganz allein im Wohnzimmer steht, betrachte die Aussicht aus dem Fenster, Kiefern, deren hohe Kronen schwer auf den schwachen Stämmen lasten, die nackten Paternosterbäume, die im Frühling mit dem jungen Grün ihr Erscheinungsbild ändern werden, wie ein Haus, das sich plötzlich mit dem Geschrei von Kindern füllt, und mir scheint, als gäbe es nichts, was ich mehr will, als im Frühling hier zu sein, mit ihm, und zu sehen, wie die Bäume wie auf Befehl ihre Stimmung ändern.
Viel Glück im neuen Haus, sage ich, und er sagt, danke, und setzt sich neben mich auf das Sofa, er scheint sich auch nicht wohl zu fühlen angesichts dieser Leere, die noch nicht weiß, wie sie sich füllen wird, denkt er jetzt vielleicht an die Wohnung, die er verlassen hat, an die Sessel und die Sofas und die Teppiche und Bilder, an die Schale mit den roten Birnen, an die Spielsachen und die Zettel auf dem Kühlschrank, an die Kinderstimmen und das unterdrückte Weinen, das aus einem der Zimmer kommt? Das alles ist noch etwas ungewohnt für mich, sagt er, als wollte er sich entschuldigen, ich habe alles sehr schnell gemacht, bevor ich es bereuen konnte, dieser Monat in der Praxis war zu lang, ich musste mir wieder ein Gefühl von zu Hause schaffen, als Ersatz für das Zuhause, das ich gehabt habe. Und eine Frau als Ersatz für die andere, schlage ich vor, und er betrachtet mich amüsiert, eine Frau als Ersatz für die andere, wiederholt er, vielleicht, stört dich das? Und ich sage, nein, eigentlich nicht, solange ich es bin, und er sagt, ja, du bist es, ich glaube, dass du es bist, aber seine Augen irren unruhig zwischen den leeren Wänden umher, als würde er gerade jetzt bemerken, dass über Nacht sein ganzer Besitz verschwunden ist, und ich flüstere, warum schläfst du dann nicht mit mir, und er wendet sich mir zu, als sei er aus einem Tagtraum erwacht, und sagt, natürlich schlafe ich mit dir, die ganze Zeit schlafe ich mit dir, fühlst du das nicht? Und er öffnet langsam die Knöpfe meiner dünnen orangefarbenen Bluse, lächelt die entblößten Brüste an, wie man alte Bekannte anlächelt.
Das Tageslicht steht dir gut, sagt er heiser, du siehst weicher aus am Tag, und es ist, als glitten die Jeans ganz von allein von meinem Körper, weil der Körper sich selbst danach sehnt, nackt zu sein, wie bei einem kleinen Kind, das sich von der Kleidung gefesselt fühlt, und auch er befreit sich mit erstaunlicher Leichtigkeit von seiner Kleidung, und als er aufsteht, um zu pinkeln, begleitet ihn mein Blick, ich sehe, wie er, in Gedanken versunken, vor der Kloschüssel steht, und ich habe das Gefühl, ihn wie damals zu betrachten, an jenem Schabbat, während unsere Kinder im Nachbarzimmer spielten und er mir vollkommen fremd war, und nun kommt er blass und erregt zu mir, zieht mein Gesicht zu seinem und leckt meine Lippen, denn das war es, was an jenem Morgen hätte passieren sollen und was jetzt passiert, auch wenn aus dem Sommer inzwischen Winter geworden und auf den Bäumen kein einziges Blatt zurückgeblieben ist. Uns ist die große Gnade einer zweiten Möglichkeit zuteil geworden, die Gnade, das Verbotene zum Erlaubten zu machen, und eine hohe und weiße Welle der Dankbarkeit hebt mich hoch, in seine Arme, in dieses Wochenende, als wäre es die Bezeichnung eines Ortes und nicht einer Zeit, der Name einer einsamen Insel, der Wochenendinsel, wo, im Gegensatz zur Insel der Kinder, die Eltern ohne Kinder sind, allerdings nur für eine gewisse Zeit, und sogar Gilis Worte, ich hasse Jotams Vater, verlieren an Kraft, weil dieser wunderbare Mann mit den Haaren, die ihm so aufreizend in die Stirn fallen, und mit den feuchten Augen an diesem Wochenende niemandes Vater ist, er gehört meinem Körper, der sich seinen Bewegungen unterwirft, meinen Ohren, die sich in seine Stimme verlieben, meinen Lippen, die seine Lippen begehren, meinen Fingern, die mit seinen Fingern sprechen, er gehört meinem Körper, der leugnet, dass einmal ein anderes, neues menschliches Wesen in ihm war, der die Scham vergisst, dass irgendwann ein Kind mit einer gewaltigen Anstrengung durch ihn
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