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Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Titel: Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeruya Shalev
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zu den stilisierten Fliesen passen, auf denen sie sich schwerfällig bewegt, Ellinka, du hast mir nichts gesagt, verkündet sie, um vor meinem Vater klarzustellen, dass sie an diesem bösen Plan nicht beteiligt war, sie wirft ihm schnelle Blicke zu, und als sie sich neben ihn stellt, wundere ich mich wieder, wie sie es immer schafft, kleiner auszusehen als er, obwohl sie größer ist.
    Entschuldigt mich einen Moment, sagt sie und watschelt wie eine aufgeschreckte Ente zum Schlafzimmer, um sich umzuziehen, und mein Vater wiederholt seine Einladung, bitte, tretet doch ein, obwohl wir schon eingetreten sind, setzt euch bitte, und ich setze mich auf meinen Platz an dem runden Küchentisch, schaue Oded an und deute auf den Stuhl neben mir, auf dem, wie üblich, ein besticktes Kissen für Gili liegt, um den Sitz zu erhöhen, und er setzt sich gehorsam darauf, vor ihm, auf dem Tisch, steht Gilis Teller, auf den zwei bunte Ungeheuer gemalt sind, dazu eine Plastiktasse und daneben ein Strohhalm, ein Zwergenbesteck, und niemand macht sich die Mühe, das Gedeck für ihn auszutauschen, auch ich nicht, schon überkommt mich Reue angesichts unseres Überfalls. Oje, wenn ich nur wüsste, was sein wird, sagt meine Mutter und eilt, in einem abgewetzten Pullover, in die Küche zurück, murmelt dabei, ich habe ihm sein Lieblingsessen gekocht, Hühnersuppe und süßen Auflauf mit Rosinen, als wäre die Tatsache, dass der Junge diesmal fehlt, etwas Endgültiges, als würde ab jetzt an seiner Stelle immer dieser blasse Mann in dem schwarzen Jackett und mit den kalten schwarzen Augen erscheinen.
    Mit unhöflicher Eile, ohne Vorbereitung und ohne Zeremonie, stellt sie eine kleine Plastikschüssel mit lauwarmer Suppe vor den ungebetenen Gast, als weigerte sie sich hartnäckig, anzuerkennen, dass er erwachsen ist, und mein Vater streckt nervös die Hände nach seinem Schüsselchen aus und ich tue es ihm nach, als wären wir Bedürftige in einer Armenküche, und zu meinem Erstaunen scheint der Einzige, der sich an diesem Tisch wohl fühlt, Oded zu sein, der völlig ungezwungen den kleinen Löffel hält, klein wie ein Spielzeuglöffel, und schweigend seine Suppe schlürft, er schaut sich in der Küche um, die auffallend eng ist und deutlich die Ablehnung ihrer Bewohner gegenüber körperlichen Bedürfnissen demonstriert. Unter dem Tisch lege ich die Hand auf sein Knie, aber er reagiert nicht, wer weiß, was er denkt, schließlich ist er auch mir noch fremd, nicht nur ihnen, es scheint, als hätte ich ihn vor einer Minute auf der Straße aufgelesen, als Gast für die Laubhütte, die ich gebaut habe, und ich überlege, ob er sich jetzt an die Freitagabendessen mit seiner Frau und den Kindern und seinen Schwiegereltern erinnert, ob er vielleicht gleich den Zwergenlöffel hinlegt, aufsteht, sich verabschiedet und zu ihnen geht.
    Mein Vater versucht, einem falschen Eindruck vorzubeugen, und sagt, normalerweise essen wir im Wohnzimmer, wenn wir Gäste haben, wir dachten, heute seien wir nur Familie, und Oded sagt, das ist völlig in Ordnung, es ist hier sehr gemütlich, und meine Mutter fragt mit ihrer weinerlichen Stimme, also, wo ist Gili? Bei seinem Vater, antworte ich ungeduldig, jedes zweite Wochenende ist er bei seinem Vater, und sie sagt, ja, ich weiß, aber ich habe geglaubt, er wäre letztes Wochenende dort gewesen, bist du sicher, dass du die Termine nicht durcheinander gebracht hast? Sie schaut Oded vorwurfsvoll an, als wäre er schuld an dem Durcheinander, und fährt fort, meiner Meinung nach seid ihr durcheinander gekommen, und mein Vater unterbricht sie und wendet sich endlich an den Gast, wie ist doch Ihr Name, bitte, und ich antworte schnell für ihn, wie eine überfürsorgliche Mutter, er heißt Oded, aber mein Vater lässt nicht locker, anscheinend ist er entschlossen, herauszufinden, was für ein Mann da in seiner Küche sitzt und was er mit mir zu tun hat, jedenfalls legt er den Löffel auf den Tisch und fragt, seid ihr Arbeitskollegen, beschäftigen Sie sich auch mit Archäologie? Und Oded antwortet kurz, in gewisser Weise.
    Auf welchem Gebiet genau, fragt mein Vater weiter, und Oded antwortet, auf dem menschlichen Gebiet, könnte man sagen, und mein Vater verkündet, aha, Sie meinen die DNA, nicht wahr, forensische Archäologie, das ist sehr interessant, und dann will er noch wissen, kennen Sie Amnon? Und Oded nickt und sagt, ja, mehr oder weniger, und ich sehe meinem Vater die Erleichterung darüber an, dass Oded offenbar eine

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