Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Titel: Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeruya Shalev
Vom Netzwerk:
Unterhose und er murmelte, ich fühle mich nicht wohl, ich kann dich nicht nach Hause bringen, nimm aus meiner Tasche Geld für ein Taxi. Ich hatte tatsächlich fast nichts dabei, und ich freute mich auch über die Gelegenheit, in seinen Taschen herumzuwühlen, aber ich fand nichts Interessantes, nur ein paar Schekel, ein Feuerzeug und Papiere vom Krankenhaus, und wieder diese Schlüssel, was öffnet er mit so vielen Schlüsseln?
    Er hatte sich schon auf den Bauch gedreht und zeigte mir seinen schmalen muskulösen Hintern, er atmete schwer, und ich wühlte weiter in seinen Taschen und dachte, daß ich mal geglaubt hatte, wenn ich den nackten Hintern eines Mannes gesehen hätte, könnte ich mit ihm anstellen, was ich wollte. Damals glaubte ich, alles gehört zusammen, es gibt einen Schwanz im Herzen und ein Herz im Arsch, es gibt einen Arsch in den Augen, und es gibt Augen in der Möse. Damals hatte ich einfach noch nicht kapiert, daß jeder Körperteil in eine andere Richtung ziehen kann und daß es mir passieren könnte, eines Tages vor dem nackten Hintern eines Mannes zu weinen, den ich nicht ausstehen kann oder genauer, der mich nicht ausstehen kann. Als ich wegging, mit Tränen der Gefühllosigkeit in den Augen, und noch einen Moment im Eingang des Hauses wartete und es gerade zu regnen anfing, hielt neben mir ein kleines schwarzes Auto, und die junge Frau mit der Zigarettenspitze stieg aus, vielleicht auch eine andere, die ihr ähnlich sah, mit kurzen roten Haaren, und rannte in das Gebäude, und ich floh von dort, trotz des Regens, nur um nicht zu sehen, in welchem Stockwerk nun das Licht anging oder welche Tür geöffnet wurde, es gab noch andere Möglichkeiten, warum sollte ich an die schlimmste glauben, aber ich wagte es nicht, die Wahrheit herauszufinden. So ging ich durch die fast leeren Straßen, ohne Geld für ein Taxi und ohne Schirm, stellte mir vor, wie er für sie aufstand, sein ganzer Körper bereits gespannt und bereit, sogar die Hose hatte ich ihm ausgezogen, damit sich die Dame nicht anzustrengen brauchte, und wie ihre elegante Möse, bestimmt ausrasiert und onduliert, nun bekam, was ich hatte haben wollen, was ich wirklich wollte, vielleicht zum ersten Mal in meinem Leben fühlte ich, was das war, etwas wirklich zu wollen, und plötzlich wäre ich am liebsten dorthin zurückgegangen, aber ich hatte Angst vor der Demütigung, deshalb lief ich einfach weiter, mit halb geschlossenen Augen, und überlegte, wie ich mich an ihm rächen könnte und wie abstoßend er doch war mit seinen Minderwertigkeitskomplexen, die ich heute erst entdeckt hatte, und ich dachte an den Geruch seiner Pisse und an das alte Eis, das in seinem Bauch schmolz, und daß diese aufgedonnerte junge Frau, die jetzt vermutlich auf ihm ritt, sich bestimmt nicht klar darüber war, daß es nur ein Stück dünne olivenfarbene Haut war, was sie von der geschmolzenen Pfütze einer Packung Eis aus dem letzten Sommer trennte.

#
    6
    Am Morgen wußte ich nicht, was mir weher tat, der Kopf oder der Hals oder der Teil des Körpers, in dem sich das Herz verbirgt, oder die Möse, die ich lebendig und juckend spürte wie eine frische Narbe. Meine Wange roch nach After-shave, vermutlich hatte Joni sich die Mühe gemacht, mir zum Abschied einen Kuß zu geben, während ich noch schlief, und gleich ärgerte ich mich über ihn, immer begoß er sich mit solchen Mengen Duft, wie ein kleiner Junge, der mit dem After-shave seines Vaters spielt und keine Grenze kennt, nie würde ich es schaffen, diesen Geruch wieder loszuwerden, aber dann, als ich an diesen Kuß dachte, erregte es mich plötzlich, daß er neben mir stehengeblieben war, sich sogar gebückt und seine orangefarbenen Lippen gespitzt hatte, diese ganze Anstrengung, ohne etwas dafür zu erwarten, weil ich ja schlief, so wie man ein Möbelstück küßt oder einen Verstorbenen, ganz im geheimen, niemand, der darauf reagiert, der es würdigt. Ich dachte, das ist wirklich ein ernstzunehmendes Zeichen seiner Liebe, vielleicht das ernstzunehmendste, das ich bisher erhalten hatte, und ich versuchte, mich zu bücken und ihn zu küssen, um seine große Anstrengung nachzuempfinden und die Größe seiner Liebe zu verstehen, und als meine Lippen die winterlich kalten Fliesen berührten, entdeckte ich dort unter dem Bett ein Buch, bedeckt mit einer dicken Staubschicht, wie getarnt, das sich dort, wer weiß wie lange schon, versteckt hatte, und zog es hervor, und mir fiel ein, daß der Dekan es mir vor

Weitere Kostenlose Bücher