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Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Titel: Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeruya Shalev
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überhaupt nicht auftauen wollte, und er fiel gierig darüber her, anschließend holte er eine Flasche Whisky aus dem Schrank und trank direkt aus der Flasche, und erst dann nahm er zwei Gläser, schenkte sie voll und trank seines auf der Stelle aus.
    Wie hypnotisiert beobachtete ich diese seltsame, sehr private Zeremonie und empfand sogar Stolz darüber, daß er es wagte, sich so vor mir zu entblößen, genauer gesagt, mich zu ignorieren. Erst nach dem dritten Glas sah er mich fast überrascht an, mit einem bitteren, verschlossenen Blick, und sagte, das ist alles, was es gibt, als meine er das Eis, und steckte sich eine Zigarette an, und ich dachte, wie angenehm es doch für mich wäre, mit ihm zu leben, denn ich wüßte immer, daß er mich nicht liebt, und ich müßte nicht diese ständige Spannung ertragen, was wäre, wenn er plötzlich aufhören würde, mich zu lieben, und ich merkte, daß ich einen großen Vorteil vor allen Frauen der Welt hatte, denn mich liebte er wirklich nicht.
    In der Wohnung wurde es langsam warm, er zog den Pullover aus, darunter trug er ein braunes Unterhemd, eine Farbe, die auf seiner Haut verschwamm, so daß es aussah, als wäre es ein Teil von ihm, und ich zog meinen Mantel aus, und er goß sich noch einen Whisky ein und sagte, mach weiter, und ich freute mich, daß ich den Spitzenbody und nicht einfach einen Fetzen unter dem Pullover anhatte, und ich blieb im Body und der Strumpfhose stehen, dehnte mich, um ihn zu reizen, aber er reagierte nicht, er fuhr fort zu trinken und zu rauchen, bis sein Gesicht schwer wurde und seine Sprache schleppend, und er sagte, du weißt, daß ich nichts habe, was ich dir geben kann. Ich nickte begeistert, als ginge es um eine angenehme Mitteilung, ich rückte näher und streichelte ihm die Oberarme, ich küßte seinen Hals, von dem ein scharfer Krankenhausgeruch ausging, und ich dachte an die kleine Frau, die von Minute zu Minute mehr zusammenschrumpfte, noch immer konnte ich es kaum fassen, daß sie seine Frau war, sie glich eher einem Schoßtier als einer Frau, und deshalb erschien mir ihr naher Tod auch weniger schlimm zu sein als der Tod eines Menschen, sogar weniger schlimm als der Tod von Tulja, und ich flüsterte an seinem Hals, bring mich ins Schlafzimmer, denn noch nie hatte ich ihr Schlafzimmer gesehen, und ich dachte, er hätte es nicht gehört, weil er sich nicht rührte, ich glaubte sogar, er sei wieder eingeschlafen, aber da sprang er auf und ging gebeugt zu der immer verschlossenen Tür.
    Als sie sich öffnete, verstand ich, warum er immer peinlich darauf geachtet hatte, daß sie geschlossen blieb. Es war das schrecklichste und unerotischste Schlafzimmer, das ich je gesehen hatte, mit zwei schmalen, getrennt stehenden Betten, wie Krankenhausbetten, und einem Rollstuhl in einer Ecke, und zwischen den vollkommen nackten Wänden hing der Geruch nach Medikamenten, trotzdem empfand ich eine seltsame Begeisterung, denn das war so viel weniger verpflichtend als ein romantisches Schlafzimmer, weniger bedrohlich, also zog ich ihn zu einem der Betten, ich merkte, wie er wach wurde, fast gegen seinen Willen, wie er widerspenstig auftaute wie das Eis, das er verschlungen hatte, und ich dachte, so, wie sein Schwanz wächst, so schrumpft seine Frau, und bald wird sie überhaupt nicht mehr dasein, sie wird einfach verschwinden, unsichtbar für das menschliche Auge.
    Ich zerrte an seiner Hose, mit einer ganz neuen Kraft, die vielleicht davon herrührte, daß ich mich mit seiner Nichtliebe abgefunden hatte und mir sogar sagte, das sei die wahre Liebe, denn so lernte ich zu lieben, ohne auf einen Gegenwert zu warten, und ich betrachtete seinen Körper in Unterhose und Unterhemd, eingehüllt in glatte Olivenhaut, und ich dachte, gleich gehört er mir, noch ein bißchen, und er gehört mir, und ich streichelte ihn durch den Stoff, ich hatte es immer vorgezogen, durch die Kleidung zu streicheln, das schien mir sicherer, und ich küßte seine Unterhose, bis ich ihn sagen hörte, ich muß jetzt allein sein, Ja’ara.
    Wenn ich ihn nicht im Krankenhaus erwischt hätte, hätte er bestimmt gesagt, meine Frau kommt gleich zurück, und jetzt hatte er keine Wahl, er mußte die Wahrheit sagen, oder vielleicht war auch das nicht die Wahrheit, vielleicht hatte er eine andere Verabredung, obwohl er nicht so aussah, als könne er ausgehen, aber ich hatte es ja schon erlebt, daß er sich von einer Minute auf die andere verändern konnte.
    Ich hob den Kopf von seiner

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