Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie
Linien über seine Wangen, die Lider senken sich über seine Augen, und aus seinem offenen Mund, dem zwei Schneidezähne fehlen, blitzen die Eckzähne wie bei einem Vampir, noch nie habe ich ihn so gesehen, so vernachlässigt und reizlos, es ist, als hätte man mir fremde Augen eingesetzt, und vielleicht sind sie nicht fremd, sondern die Augen des Mannes, der sich schweigend auf das Sofa setzt, seine schönen Finger, die ich erst gestern geküsst und gestreichelt habe, verflochten mit denen dieses hochmütigen, strahlenden Mädchens, das mit offensichtlicher Gleichgültigkeit den kleinen Jungen betrachtet, der in meinen Armen weint, als wäre eine Welt für ihn zusammengebrochen.
Ich habe eine Idee, rufe ich mit gespielter Fröhlichkeit, bestellen wir eben beides, und du probierst beide und entscheidest dann, ein verschwenderischer und ganz und gar unpädagogischer Vorschlag, der ihn nicht beruhigt und nur Jotam dazu bringt zu sagen, wenn er zwei bekommt, will ich auch zwei, und ich verkünde, ausgezeichnet, das Problem ist gelöst, deutlich verwirrt greife ich nach dem Telefon, bestelle die größte Familienpizza mit dem abwechslungsreichsten Belag, um die Vorlieben aller Anwesenden zu befriedigen, obwohl mir klar ist, dass keiner von uns besonders großen Hunger hat und mehr als die Hälfte übrig bleiben wird.
Gili, wasch dir das Gesicht und putz dir die Nase, sage ich ungeduldig, nachdem ich den Auftrag erledigt habe, und er geht geschlagen zum Badezimmer und kommt gleich wieder, das Gesicht nass, aber ebenso schmutzig wie vorher, und ich schüttle den Kopf, begleite ihn aber nicht zum Badezimmer, um ihm beim Naseputzen zu helfen, ich habe Angst, unter ihren bedeutungsvollen Blicken das Wohnzimmer zu verlassen, ich bleibe, damit sie sich nicht Zeichen des Einverständnisses geben können, damit sie nicht die Gelegenheit benutzen, um zu verschwinden, schließlich sind sie eine fast vollständige Familie, eine Familie, die keinen Zuwachs braucht, erst recht keinen verwöhnten kleinen Jungen, einen weinerlichen Dickkopf, aber da geht Jotam zu ihm, mach dir keine Sorgen, Gili, ich werde das Gleiche essen wie du, versichert er in einem zauberhaft großzügigen Ton, ich werde auch Oliven essen, damit du nicht neidisch zu sein brauchst, und Gili jammert glücklich, und was machen wir dann mit den Pilzen, die wir bestellt haben? Jotam beugt sich vor und flüstert Gili etwas ins Ohr, und beide brechen in spitzbübisches Gelächter aus, wie zwei junge Füchse, die einen Streich aushecken, und ich betrachte Jotam voller Dankbarkeit, was für ein wunderbarer Junge, auf ihn kann man sich verlassen, jedenfalls mehr als auf seinen Vater, der in meiner Wohnung auf meinem Sofa sitzt und mit seinen dunklen Augen beobachtet, was sich hier abspielt, ich muss zugeben, dass er nichts getan hat, um die Situation zu beruhigen, er hat auch noch kein einziges Wort mit Gili gewechselt.
Was willst du trinken, Oded, frage ich, und er antwortet, etwas Scharfes, und ich gieße ihm kalten Wodka ein und frage laut aus der Küche, willst du Kakao, Maja, und zu meiner Freude bejaht sie, lockert damit vielleicht ihren energischen Widerstand gegen diesen Besuch, und ich reiche ihm den Wodka und ihr den Kakao und breche in nervöses Lachen aus, wo ist unsere Liebe, Oded, siehst du sie irgendwo, fühlst du sie, sie hat sich versteckt wie eine vor Fremden erschrockene Katze, aber diese Fremden sind unsere Kinder, unser eigen Fleisch und Blut, und es scheint, dass sogar ich sie schon nicht mehr fühle, und eigentlich möchte ich, dass ihr geht, dass ihr mich mit dem verwöhnten, verrotzten Jungen allein lasst, erst wenn ihr geht, werde ich wieder seine Schönheit sehen. Aufrecht sitzt er in der Sofaecke, in einem weißen Kaschmirpullover, den ich noch nie gesehen habe und der seine wie gemeißelten Gesichtszüge betont, die beiden senkrechten, wie in Holz geschnittenen Falten auf seinen Wangen, und beobachtet schweigend alles wie ein Außenstehender, der Details sammelt, sein Gesichtsausdruck ist kühl und hochmütig, wie der seiner Tochter, bin auch ich in seinen Augen hässlich geworden, wie Gili in meinen, sieht er auch mich jetzt tränenüberströmt, fleckig von Staub und Rotz, so schnell zweifle ich an ihm, an seinen Liebesworten und an seinen Versprechungen.
Maja, vielleicht möchtest du mit den Jungen ein bisschen Computer spielen, oder soll ich dir etwas zum Spielen suchen, sage ich, als die beiden in Gilis Zimmer verschwinden, ich möchte
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