Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie
Amnon bestellt für mich noch eine Tasse Kaffee, ohne Schlagsahne, betont er, um zu beweisen, dass er sich noch an meine Vorlieben erinnert, eine Tasse Kaffee für eine halbe Wohnung, was für ein Geschäft, und ich betrachte sie erstaunt und frage mich, ob mir ab jetzt jeder Mann großartiger vorkommen wird als der, an dem ich mein neues Leben festgemacht habe, wie ein Fahrrad an einem rostigen Geländer im Treppenhaus. Wie sensibel sie plötzlich sind, angesichts meines Verzichts, sie strahlen eine sanfte Ritterlichkeit aus, ohne jede Schadenfreude, wie zwei Engel behandeln sie mich, und mir fällt es schwer, mich von ihnen zu trennen, aber als ich den letzten Schluck Kaffee getrunken habe, stehen sie wie ein Mann auf, Gabi schließt den Vertrag in seiner Tasche ein und wünscht uns noch einmal viel Erfolg, mit einer übertriebenen Betonung, als hätten wir ihm unsere Verlobung mitgeteilt, und Amnon beugt sich zu mir und fragt, ist alles in Ordnung, und ich nicke, sein Körper verströmt das vertraute Gefühl eines Blutsverwandten, und als ich ihm nachschaue, kommt es mir vor, als sähe ich Gili auf seinen Schultern, wie einen Vogel auf einem Baum.
Menschen aus dem Viertel gehen an mir vorüber, Menschen, die mir halbwegs bekannt vorkommen, ihre Blicke streifen mich, während ich in der Tür des Cafés stehe, neben dem Wachmann, der die Handtaschen der Eintretenden kontrolliert, ich stehe da wie eine Trauernde neben einer rasch aufgebauten Trauerhütte. Bald werden sich die Passanten in einer langen Reihe vor mir aufstellen, sie werden mir die Hand drücken und mir tröstende und ermutigende Worte sagen, das Leben geht weiter, werden sie sagen, was war, ist vergangen, es lohnt sich nicht, um die Vergangenheit zu trauern, du musst nach vorne schauen, denke an das, was du hast, nicht an das, was du nicht hast, das ist die Hymne des Lebens, die laut von den Straßen aufsteigt, die Hymne derer, die vorwärts streben, und ich muss nur einstimmen, damit wir uns zu einem einzigen Chor vereinen, wir streben vorwärts, alle wie ein Mensch, trotz Leid, Enttäuschung, Kränkung, trotz der Angst vor dem Verlassenwerden, vor einer Katastrophe, vor einem Irrtum.
Nirgendwo in dieser großen Stadt gibt es ein Haus, in dem ich zu Hause bin, dabei ist sie so groß, dass ich einige Neubauviertel noch nie betreten habe, viele Tausend dicht bewohnter Häuser, und kein einziges wird sich mir öffnen, wenn ich eines Tages die Wohnung in der Gasse der Bußgebete verlasse, Gili an der Hand, der seinerseits Teddy Scotland festhält, wenn ich bereit bin zuzugeben, dass die Operation misslungen ist, das Transplantat nicht angenommen wurde. Wo werden wir hingehen, vielleicht in das verbrannte Haus im jüdischen Viertel, das am achten Elul zerstört worden ist, im Jahr siebzig nach der Zeitrechnung, wie auch die anderen Häuser der Jerusalemer Oberstadt, oder zu den Grabhöhlen, die in die Felsen des Flusses Kidron gehauen sind, Grabhöhlen, die die Stadt wie ein Gürtel umgaben, oder in das Tal Ben-Hinnom, das Tor zur Hölle, oder zum kanaanitischen Wasserwerk, zu den Schächten und Höhlen, die heimlich unter der Stadtmauer gebaut worden waren, um den Feind zu täuschen, der versuchte, die Herrschaft über die Wasserquellen zu erlangen.
Das ist das Gewicht des Verzichts, sein Stachel, seine Trauer, seine Tiefe, das ist die endgültige Trennung von dem, was mein Zuhause war, von dem Leben, das meines war, schließlich bin ich am Morgen mit dem festen Entschluss hergekommen, nicht zu unterschreiben, und nun stehe ich da, öffne vorsichtig die Tür und schaue mich verstohlen um wie ein Eindringling, warum habe ich nachgegeben, bald werden sie mir weiße, Furcht einflößende Blätter hinhalten, voller Paragrafen, und auch sie werde ich unterschreiben, erschöpft, fast gleichgültig, und dann wird sich herausstellen, dass ich auch auf meinen einzigen Sohn verzichtet habe.
Und ich betrete die dunkle Wohnung, in der die Rollläden heruntergelassen sind, der Strom abgeschaltet, und prüfe sie, als wäre ich vom Amt für Denkmalschutz beauftragt, sie zu klassifizieren, ich muss ausführlich Rechenschaft ablegen, die Verkettung der Umstände bezeugen, die dazu geführt haben, dass diese Stätte verlassen wurde, ob es sich um eine Dürre gehandelt hat, um eine Hungersnot, um Fremdherrschaft oder um eine Naturkatastrophe. Ein dumpfer Geruch von Feuer geht von den nackten Wänden aus, als wäre in einer Ecke ein schwelender Autoreifen versteckt, der
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