Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie
Federn quietschen, und mir scheint, als quietschten auch die Angeln der Wohnungstür, kommen etwa Gäste, die wir einst eingeladen haben, vor langer Zeit, und jetzt stehen sie auf der Schwelle und wundern sich über die leere Wohnung, wo werde ich ihnen einen Platz anbieten können, es gibt doch keine Möbel mehr, was werde ich ihnen servieren können, in den Schränken ist doch nichts mehr, worüber werde ich mich mit ihnen unterhalten, meine Kehle ist doch trocken.
Frische Flecken breiten sich auf der Matratze aus, Inseln von Tränen, nein, in dieser Wohnung wird mich kein Mensch mehr besuchen, mit einer Flasche Wein oder einem frischen Hefezopf in der Hand, noch nicht einmal der Hausherr selbst, der vorsichtig zwei Plastikbecher mit Kaffee hält, nachdem er unseren Sohn zur Schule gebracht hat, aber als ich den Blick von der Matratze hebe, sehe ich ihn, etwas gebeugt, von dunklem Licht umgeben, als trüge er eine schwarze Wolke auf dem Rücken, sein Gesicht ist eingefallen, die Augen gesenkt, Amnon Miller, es ist keine Stunde her, da haben wir uns getroffen, und wie sehr hat er sich seither verändert, ich möchte noch ein paar Sachen abholen, sagt er, als müsste er sich für die Störung entschuldigen, aber ich weiß, dass er gekommen ist, um sich zu verabschieden, genau wie ich, und ich höre, wie er zwischen den Zimmern hin und her geht, das Echo verdoppelt seine Schritte, wie wenig wir doch hinterlassen. Was bleibt von uns, Amnon, von unserem gemeinsamen Körper, verbirgt er sich vielleicht irgendwo auf einem himmlischen Dachboden oder im Bauch der Erde, bleibt etwas von unserer Familie zurück, wo wird die Erinnerung an unsere Familie überdauern, Gili ist doch noch zu jung, um sich zu erinnern, obwohl er sich sein ganzes Leben lang danach sehnen wird, nur wir beide, du und ich, werden dokumentieren können, was unsere Familie war, dieser dreiköpfige, dreiherzige Körper, der in der Blüte seiner Jahre getötet wurde.
Als die Matratze neben mir einen vertrauten Seufzer ausstößt, weiß ich, dass sein Körper neben mir liegt, so wie es immer war, Nacht für Nacht, Jahr für Jahr, und wie es nie wieder sein wird, nie wieder werden wir unter dieser Zimmerdecke schlafen, von der das Trommeln nervöser Regentropfen zu hören ist, nie wieder werde ich die Hand ausstrecken und unabsichtlich sein Gesicht berühren, nie wieder werde ich seine Finger in meinen Haaren spüren, nie wieder werden wir von diesen Wänden umgeben sein, denn nicht meinetwegen und nicht seinetwegen und nicht wegen unseres Sohnes sind wir heute hierher gekommen, sondern um diesem Grab die letzte Ehre zu erweisen. Wir hätten hier leben können bis ans Ende unserer Tage und haben es nicht getan, wir hätten noch ein Kind auf die Welt bringen können und haben es nicht getan, wir hätten zusammenbleiben können, bis wir alt und grau werden, und haben es nicht getan, und jetzt, bevor wir als Flüchtlinge in anderen Familien aufgenommen werden, sitzen wir hier auf der fleckigen Matratze wie in einer tiefen Grube, in die wir nacheinander gefallen sind, nicht aus Lust sind wir hier und nicht aus Erbarmen und nicht aus Zorn und nicht aus Furcht, sondern wegen des schnellen, unaufhaltsamen Absturzes, des überstürzten Zusammenpackens, wie am Vorabend des Auszugs aus Ägypten, unsere Hüften gegürtet, die Schuhe an den Füßen, die Stäbe in der Hand, und für einen Moment lassen wir unsere Körper ihre Stimmen verschmelzen zu einem leisen, tiefen Klagelied, dem Klagelied für unsere einstigen Familientage.
Lass mich als Erste hier weggehen, lass mich dir in deinem plötzlichen Schlaf den Rücken zukehren, allein bin ich hergekommen und allein werde ich von hier weggehen, und niemand wird etwas davon wissen, du wirst ruhig und schwer daliegen, und ich werde leise aufstehen und deinen vertrauten Körper betrachten, der mit ausgebreiteten Gliedern auf der Matratze liegt, ich werde mich hinausstehlen, als hätte ich dich im Schlaf ermordet und dir das Kostbarste gestohlen. Hier ist unsere Trennung vollendet worden, in dem Moment, in dem ich begriff, dass sie nie vollendet werden würde, dass ich bis zum letzten Tag dieses Klagelied im Ohr haben werde, mal leiser, mal lauter, es wird durch die Ritzen der Rollläden dringen und vom Asphalt aufsteigen und von den Wolken herunterregnen, es wird sich unter den Flügeln der Vögel verstecken und als Laub von den Bäumen fallen und zwischen den Grashalmen glitzern, es wird sich durch die Luft spannen wie
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