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Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Titel: Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeruya Shalev
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hören, die sich rings um das Haus erstreckten, dann wuchsen meine Angst und mein Gefühl der Nähe zu ihnen, und erst wenn das Licht plötzlich wieder anging, seufzten wir alle drei erleichtert, aber auch traurig auf und sahen uns um, auf der Suche nach dem, was von diesem Tag bleiben würde, von diesem Leben, erst dann löste sich unsere zerbrechliche Gemeinsamkeit auf, und statt Angst vor den Schakalen empfand ich wieder Angst vor ihnen, vor ihrer unerlösten Trauer, die nachts um mein Bett heulte.
    Schon ziemlich bald war um mich herum wieder das nervende Gesumme der Normalität zu hören, würgte mich mit seiner gleichgültigen Realität, und alle Köpfe kehrten an ihre Plätze zurück, doch ich war schon auf dem Weg nach draußen. Ich werde sie bitten, daß wir eine Kerze anzünden und uns zusammensetzen, warum sollten sie nicht einverstanden sein, ich muß unbedingt noch einmal dieses einzigartige Zusammengehörigkeitsgefühl spüren, sie werden es mir nicht verweigern können, warum sollten sie auch? Man sitzt sogar in Restaurants bei Kerzenlicht, warum also nicht in ihrer Küche, wo es niemand sieht?
    Aber als sie mir die Tür öffnete, überrascht und froh, mich zu sehen, vom Mittagsschlaf den Abdruck des Kissens auf der Wange, vergaß ich die Kerze und die ganze Geschichte, und wie von selbst kam die Frage aus meinem Mund, was hattest du mit ihm, Mama? Und sie, als habe sie seit Jahren darauf gewartet, fragte noch nicht mal, mit wem?
    Doch dann sah er hinter ihrem Rücken hervor, als habe er sich dort versteckt, er richtete sich auf, sein Kopf erschien über ihrem, wie bei einem Turm aus Köpfen, mit gequetschten Ohren und bitterem Blick, und er sagte, gerade war Joni da, und sofort roch ich Jonis After-shave, das sich in der Wohnung herumtrieb wie ein Spion, und ich erschrak, vielleicht war er gekommen, um ihnen mitzuteilen, daß er mich verlassen habe, und ich fragte, mit vorgetäuschter Gleichgültigkeit, was wollte er denn, doch sie standen vor mir, ein Elternturm, jeder mit seiner eigenen Frage, und niemand antwortete.
    Er wird es dir schon erzählen, wenn er will, sagte mein Vater schließlich, er wartet zu Hause auf dich, und er sah mich an, als wäre ich eine Ratte in seinem Labor, als wäre er der Hohepriester und ich eine Sünderin, und ich folgte ihnen in die Küche, versuchte, aufrecht zu gehen, ließ mir am Hahn Wasser in ein Glas laufen und trank es in einem Zug aus, ganz wie jene Ehebrecherin, hielt mich verzweifelt am Glasrand fest, wie schnell entstand ein Komplott, vor allem gegen mich, und jetzt mußte ich, um herauszufinden, was Joni plante, im Gesicht meines Vaters lesen, eine Aufgabe, bei der ich jahrelang versagt hatte, es gab gar keinen Grund zu glauben, daß es mir jetzt gelingen sollte, und alles schien mir so verzweifelt, die verschlungenen Wege, die von einem Menschen zum anderen führen, Arie über seine Frau kennenzulernen, Joni über meinen Vater, ein Karussell, das sich ewig drehte, und nur sie stand daneben, wie außerhalb des Bildes, und versteckte sich hinter ihren faltigen Wangen, die nicht den kleinsten Hinweis auf ihre frühere Schönheit enthielten, vielmehr aussahen, als wäre sie mit ihnen geboren worden, sie stand am Becken und spülte mit der Naivität und der Ruhe einer Hausfrau, die nichts zu verbergen hat, das Geschirr, bis ich merkte, daß sie die ganze Zeit immer denselben Teller wusch.
    Da trat ich hinter sie und hielt mein Glas noch einmal unter den Wasserhahn, und sie sagte, das ist nicht gesund, warmes Wasser aus dem Hahn zu trinken, aber das Wasser ist kalt, sagte ich, und sie fragte, hast du keinen Hunger? Und ich sagte, ich habe Durst, und sie sah sich um, ob mein Vater noch in der Küche war, und sagte, was hast du mich vorhin gefragt, ich habe dich nicht genau verstanden, und ich füllte mein Glas und sagte, ich habe nach den Stromausfällen gefragt, ich habe gefragt, ob du dich daran erinnerst, wie wir zu dritt um eine kleine Kerze saßen, und sie sagte, wieso denn, wir hatten drei Petroleumlampen, für jeden eine, und auch das kam mir wie ein Teil ihres Komplotts vor, oder besser wie die Spitze dieses Komplotts, deshalb kippte ich das Glas im Becken aus, direkt auf ihre Hände, die den Teller nicht losließen, und sie sprang zurück und sagte, bist du verrückt geworden, das Wasser ist kochend heiß.
    Auf der Hauptstraße, unter ihrem Haus, stand ein Polizist mit einer Pfeife, und ich blieb stehen und betrachtete ihn und dachte an all die Dinge,

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