Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie
und ich wunderte mich, wieso er, ein Mensch, der mir so fremd war, überhaupt wußte, wo ich wohnte, und ohne ein Wort zu sagen stieg ich aus und erbrach mitten auf der Straße, genau an der Stelle, wo gerade noch ihr Auto gestanden hatte.
Ich ging sofort ins Badezimmer und duschte, bis es kein heißes Wasser mehr gab, ich wusch meine Haare und versuchte sogar, mich unten einzuschäumen, wie sie es taten, aber aus der Nähe sah das gar nicht mehr so ausgefallen und bemerkenswert aus, einfach etwas, was man jeden Tag tut, und als ich geduscht hatte, schnitt ich mir die Nägel, auch an den Füßen, und die ganze Zeit versuchte ich mich zu beruhigen, daß alles in Ordnung war, daß ich jetzt wieder rein war, ein Glück, daß man mir nichts beweisen kann, dachte ich, ich kann mir die Nägel schneiden und mich wieder rein fühlen, und auch wenn Joni Verdacht geschöpft haben sollte, kann ich es ableugnen, so wie er es immer ableugnen kann, man glaubt doch so leicht, was man glauben will, und vergißt die Tatsachen, so wie ich die letzten Worte Joséphines vergessen habe, und schon schloß ich innerlich ein Abkommen mit ihm, ich verzeihe dir, daß du mit Aries Nachbarin ein Kind gemacht hast, und du verzeihst mir alles, was ich getan habe, und einen Moment lang hoffte ich, das Kind sei wirklich von ihm, sonst hätte ich nichts, was ich ihm verzeihen könnte, und das ganze Abkommen wäre nichts wert, und ich beschloß, daß ich die Sache nicht nachprüfen durfte, um nicht als Alleinschuldige dazustehen, es müsse sich alles im Herzen abspielen, zwischen ihm und mir, aber nur zwischen meinem Herzen und seinem, ohne daß ein Wort ausgesprochen werde. Ich zog einen engen Minirock und den gestreiften Pullover an, kämmte meine Haare und betrachtete mich im Spiegel, die Schwellung meiner Nase war kaum zu sehen, sogar meiner Mutter war nichts aufgefallen, und mir kam es vor, als sei jetzt alles gut, als würde ich zurechtkommen, und nur ab und zu spürte ich einen Stich der Sehnsucht nach dem Gesicht, das sich vor mir verborgen hatte, und ich bedauerte, daß mir heute seine verschiedenen Gesichtsausdrücke entgangen waren, doch ich versuchte mich damit zu trösten, daß das nichts war im Vergleich zu dem, was mir sonst noch alles entgehen würde, denn meine Mutter hatte bestimmt recht, noch heute wird seine Freundin mit der Zigarettenspitze kommen, und wenn ich mir nicht die Mühe mache, mich in Erinnerung zu bringen, wird er mich noch vor dem Ende der dreißig Trauertage vergessen haben.
Darauf machte ich mich zurecht, mit einer geheimen Begeisterung, wie ein Mädchen, das als Babysitter arbeitet und heimlich den Lippenstift der Hausherrin benutzt, die ganze Zeit hatte ich das Gefühl, die Sachen zu stehlen, obwohl alles mir gehörte, das Make-up, das mein Gesicht bräunte und die Fältchen abdeckte, der Eyeliner, der die Form meiner Augen unterstrich, die Wimperntusche, die meine Wimpern schwärzer und länger machte, der blaue Lidschatten, der meine Augen betonte, das Rouge, das meine Wangenknochen hervorhob, und der purpurrote glänzende Lippenstift. Ich schminkte mich heimlich, mit großem Vergnügen, schon seit Jahren hatte ich mich nicht mehr so vollendet zurechtgemacht, und schließlich war ich so schön und strahlend, als wäre ich eine andere, und ich lachte über mich, daß ich es ausgerechnet jetzt für richtig hielt, mich zu schminken, wo ich nach Hause gekommen war, nicht vor dem Ausgehen, das entsprach wirklich nicht der normalen Art. Ich überlegte, wie schade es doch wäre, meine ganze Schönheit an die gelblichen Wände zu vergeuden, ich sollte lieber aus dem Haus gehen, vielleicht zu Jonis Büro, um herauszufinden, was er gestern meinen Eltern erzählt hatte, doch dann zögerte ich, wenn er Verdacht geschöpft hatte, würde ihn jedes außergewöhnliche Verhalten darin bestärken, also beschloß ich, zur Universität zu fahren, um die Sekretärin zu verblüffen und den Dekan zu umgarnen, aber nach einer Sekunde kam mir das töricht vor, wie schade wäre es doch, die ganze Schönheit mit einem falschen Lächeln zu zerstören, und ich legte mich erst einmal aufs Bett, um nachzudenken, nichts erschien mir festlich genug für mich, und schließlich schlief ich ein, bevor ich mich entscheiden konnte, was dümmer war, sich fürs Bett zu schminken, so wie ich, oder wie die alten Ägypter fürs Grab.
Ich wachte auf, als eine Tür zuknallte, und sprang erschrocken vom Bett hoch, mein Herz brachte meinen ganzen Körper
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