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Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Titel: Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeruya Shalev
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zum Zittern mit seinen Schlägen, vor lauter Angst, er habe mich verlassen. So war ich als Kind aufgewacht, wenn mein Vater nach einem Streit die Tür zuknallte, immer mit einem pochenden Herzen und mit der Angst, er würde nicht mehr zurückkommen, daß ich die letzte Gelegenheit verpaßt hatte, ihn noch einmal zu sehen, ihn zu überreden, hierzubleiben, und ich lief aus dem Zimmer, in dem engen Rock und mit meinem geschminkten Gesicht. Alles zeugte von Jonis Anwesenheit, der Geruch seines After-shaves, der Mantel über dem Stuhl, die Tasche auf dem Boden, aber er selbst war nicht da, und ich verfluchte mich, weil ich ihn so hatte gehen lassen, und was würde ich jetzt tun, bis er zurückkam, wenn überhaupt, und ich rannte ins Bad, um nach seinem Rasierzeug und seiner Zahnbürste zu schauen, sie waren noch da, und ich beruhigte mich ein wenig, obwohl man natürlich alles zweimal kaufen konnte, wenn man wirklich auf Betrug aus war.
    Ich lief durch die Wohnung und prüfte, ob außer Joni selbst irgend etwas fehlte, und als ich in die Küche kam, entdeckte ich, daß der Mülleimer nicht da war, und wie eine Idiotin sagte ich mir, Joni und der Mülleimer fehlen, was bedeutet das? Und plötzlich tauchten sie in der Tür auf, Joni und der Mülleimer, den ich morgens hatte leeren wollen, es dann aber vergessen hatte, und er betrachtete mich erstaunt und sagte, wo warst du? Und ich sagte, im Bett, ich habe geschlafen, und er fragte zweifelnd, so geschminkt, wie du bist? Und ich dachte, ausgerechnet wenn ich die Wahrheit sage, glaubt er mir nicht. Ich wollte mir schnell eine kleine Lüge ausdenken, die sich glaubwürdiger anhörte als die Wahrheit, aber mir fiel nichts ein, also drehte ich mich um und ging zum Spiegel, und dort sah ich zu meinem Entsetzen, daß die Wimperntusche verschmiert und zu großen schwarzen Ringen um meine Augen geworden war, bis hinunter zum Rouge, und der Lippenstift war auf der einen Hälfte des Mundes abgewischt, hatte sich aber auf der anderen aggressiv und glänzend gehalten, ich sah wirklich aus, als käme ich gerade von einer wilden Fickerei, und ich murmelte gekränkt, ich habe mich wirklich zum Ausgehen zurechtgemacht, und dann bin ich eingeschlafen, doch er fragte mißtrauisch, wohin wolltest du gehen?
    Ich fing an, mir das Gesicht zu waschen, versuchte, sein Mißtrauen mit heißem Wasser zu entfernen, wie konnte etwas, was so schön gewesen war, auf einmal so häßlich sein, denn eigentlich hatte ich mich für ihn geschminkt, um schön zu sein, wenn er zurückkam, um mit einem zurechtgemachten Gesicht auf die Nachricht zu warten, die er mitbringen würde, aber auch das hörte sich an, als hätte ich es mir aus den Fingern gesogen. Ich fuhr mit einem nassen Wattebausch über alle Stellen, die plötzlich so häßlich waren und nun ganz rot wurden von der Schrubberei, ich konnte wirklich sehen, wie mein Gesicht anfing, alt zu werden, der Wattebausch nahm alle Farben auf, die vorher mich bedeckt hatten, Schwarz und Braun und Rot und Hellblau, und die ganze Zeit starrte Joni mich erwartungsvoll an, kratzte sich mit dem Finger an seiner Stupsnase, wartete darauf, daß ich fertig würde, und ich hatte Angst davor, fertig zu werden, ich rieb mir wieder und wieder das Gesicht, das nun blaß und fade aussah, und schließlich sagte er ungeduldig, es reicht schon mit diesem Getue, und ich machte den Wasserhahn zu und sagte, also was wollen wir tun, als gäbe es nichts anderes zu tun, als vor dem Spiegel zu stehen, sich zu schminken oder abzuschminken, und er sagte, wir werden in die Flitterwochen fahren, schließlich haben wir das noch nicht gemacht.
    Wir hatten wirklich keine Hochzeitsreise gemacht, aber mich hatte das nicht besonders gestört, ich hatte dieses Versäumnis sogar begrüßt, um mir das Gefühl zu bewahren, daß dies keine wirkliche Hochzeit war, zumindest nicht meine, und der Beweis war, daß wir nicht in die Flitterwochen gefahren waren, und ich hatte vor, mir das für meine richtige Hochzeit aufzuheben, und vorsichtig sagte ich, wohin fahren wir, um zu prüfen, ob er es ernst meinte oder ob es irgendeine seltsame Art war, mir einen Hinweis auf etwas zu geben, und er sagte, nach Istanbul, morgen früh, ich habe schon alles organisiert, deine Eltern haben mir mit Geld geholfen, du brauchst nur noch zu packen. Er sprach mit dem Stolz eines Vorzugsschülers, der alle Aufgaben richtig erledigt hat und nun ein Lob erwartet, und ich lobte ihn wirklich, denn ich freute mich sehr, daß dies

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