Liebeslied für einen Fremden: Das Buch der Liebe (German Edition)
Davonlaufen.“
„Man kann von jemand, der gerade mit Mühe und Not einen Motorradunfall überlebt hat, nicht erwarten, dass er wie Tom Cruise aussieht“, tadelte Frederik, jedoch nicht ernstlich böse.
„Als ich hörte, dass er eine feste Bleibe suchte, weil er in Neuseeland bleiben wollte, da dachte ich sofort an die verlassene Farm meiner Eltern“, erklärte Claire und hob ihr Weinglas, um Frederik augenzwinkernd zuzuprosten. „Er hat sie gekauft und ein Schmuckstück daraus gemacht. Wirklich, Frederik, es konntest nur du sein, der hier einzieht. Es war vom Schicksal so vorgesehen.“
Der junge Mann fuhr sich mit einer Hand durch das dichte, kastanienbraune Haar, als er trocken erwiderte: „Na ja, Schicksal… Das ist ein großes Wort, Claire. Ich denke, es war einfach Zufall.“
„Das sagst du? Der studierte und promovierte Psychologe? Haben wir nicht gelernt, dass es keine Zufälle gibt im Leben?“ entrüstete Claire sich.
Ohne seine Antwort abzuwarten, wandte sie sich an Sarah: „Was meinst du, Sarah? War es Schicksal oder Zufall?“
„Pass auf, was du sagst, Claire“, warf Frederik ein. „Sarah ist eine hoch geschätzte Philosophielehrerin.“
„Umso mehr interessiert mich ihre Antwort“, gab Claire zurück. Noch immer ruhte ihr Blick auf Sarahs Gesicht, das im flackernden Schein der Windlichter, die Frederik ringsum aufgestellt hatte, ganz entspannt, wie in sich gekehrt wirkte.
„Also,“ wiederholte Claire, „wie lautet deine Antwort auf die Frage nach dem Schicksal, das den Menschen lenkt – oder ist alles tatsächlich nicht mehr als ein banaler Zufall?“
Sarah sah an ihr vorbei. Dann konnte man sie nach einem langen Moment der Stille halblaut antworten hören.
„Der Meister erscheint, wenn der Schüler bereit ist.“
Mehr sagte sie nicht.
Aber mehr war auch nicht nötig.
Dieser eine Satz, das musste selbst Claire zugeben, enthielt die einzig wahre Antwort.
Als daraufhin die Stille zwischen den drei Menschen gar nicht enden wollte, griff Frederik ganz sacht, geradezu schüchtern, nach Sarahs Hand, um sie einen Moment lang zu halten.
Dann zog er seine Hand wieder zurück und sagte leise, ohne jemand dabei anzusehen: „Das war der Satz, den mein Vater seinen ungeduldigen Schülern gerne mit auf den Weg gab.“
„Und ich war sehr ungeduldig“, erinnerte Sarah sich, jetzt unbefangen und ohne jede Rührseligkeit. „Ich wollte die Dinge immer gewaltsam vorantreiben. Auf alle meine Fragen sollte es sofort Antworten, auf alle Probleme sofort Lösungen geben. Ich glaube, ich konnte eine ziemliche Nervensäge sein. Gregor hat mich wahrscheinlich deswegen so manches Mal zum Teufel gewünscht.“
Claire schmunzelte. „Aber ist das nicht typisch für junge Leute? Sie haben das ganze Leben noch vor sich und gleichzeitig sind sie nicht bereit, abzuwarten.“
„Und zum Teufel gewünscht hat Gregor dich ganz sicher nie“, erinnerte Frederik sich, ebenfalls lächelnd. „Im Gegenteil, er war stolz auf dich.“
Sarah wurde rot. „Hat er mich manchmal erwähnt?“
Frederik zögerte etwas, ehe er behutsam erwiderte: „Natürlich hat er das. Nicht so oft, wie du damals möglicherweise gehofft hast, aber hin und wieder.“
Sie schlug, verlegen wie einst die ganz junge Sarah, beide Hände vor das Gesicht. „Oh mein Gott, ich habe mich so lächerlich gemacht. Dafür schäme ich mich heute noch.“
„Er hat dir nie etwas übel genommen“, sagte Frederik ernsthaft. „Und einen Grund, sich zu schämen, gibt es schon gar nicht.“
Claire hatte den Dialog der anderen beiden interessiert verfolgt, nun aber sah sie auf ihre Uhr und sprang erschrocken auf.
„Liebe Freunde, ich muss los! Gilbert fängt regelmäßig an, sich Sorgen zu machen, wenn ich um zehn Uhr nicht zu Hause bin. Und jetzt bin ich schon eine Stunde drüber!
Ich wünsche euch viel Spaß in Auckland, hier ist der Schlüssel für das Apartment, Frederik, und Danke für den wundervollen Abend!“
Nach zahlreichen Umarmungen und Wangenküssen sprang sie in ihren Wagen, hupte einmal kurz und brauste dann auch schon vom Hof, hinunter zur Landstraße, wo sie in einem atemberaubenden Tempo in Richtung Gisborne verschwand.
Sarah und Frederik blieben etwas einsilbig zurück, bis Frederik den letzten Rest aus einer Weinflasche gerecht zwischen ihnen aufteilte, sein Glas gegen das von Sarah klingen ließ und sagte:
„Claire ist wie ein Naturereignis, stelle ich immer wieder fest. Heute hat sie sich aber wirklich selbst
Weitere Kostenlose Bücher