Liebeslied für einen Fremden: Das Buch der Liebe (German Edition)
Noch nicht. Und, ehrlich gesagt, ich fürchte, sie würde doch immer nur meinen Vater bei mir suchen.“
Claire, die von Sarahs Beziehung zu Gregor Becker zumindest andeutungsweise wusste, wog kritisch den Kopf hin und her.
„Das muss nicht zwangsläufig so sein, Frederik“, begann sie, hielt jedoch sofort wieder inne, als sie die Ridgebackhündin Lola begeistert bellen hörte, weil Sarah die Veranda betreten hatte.
„Geh ihr entgegen, Frederik, sie muss ja nicht merken, dass wir gerade über sie gesprochen haben“, fügte Claire hastig hinzu, und tat das er dann auch.
Die letzten Sonnenstrahlen streuten ihre Wärme über „Blue Horizon“ aus, die Luft wurde kühler. Die federigen Gräser, die großen Farne bewegten sich leise im der abendlichen Brise, der Geruch des frischen Grases und der aufgebrochenen Erde, dazu die Vögel und Libellen, die bis zum Einbruch der Dunkelheit zwischen Blumen und Büschen dahin schossen – Sarah hätte inzwischen daran gewöhnt sein müssen, erlebte es aber auch jetzt wieder, als wäre es das erste Mal.
Die Hündin Lola kam ihr entgegen gerannt, kaum, dass sie den Fuß auf die erste Treppenstufe zur Veranda hinauf gesetzt hatte, und beinahe gleichzeitig erschien Frederik in der Eingangstür, um ihr lächelnd entgegen zu blicken, die rechte Augenbraue dabei leicht hoch gezogen, eine typische Geste für ihn, von der er möglicherweise gar nichts wusste.
„Schön, dass du die Einladung angenommen hast, obwohl sie etwas kurzfristig kam“, begrüßte er sie, warf dann einen Blick zurück über die Schulter und registrierte erleichtert, dass dort wie auf ein Stichwort Claire auftauchte.
„Sarah, du kennst meine Kollegin und Freundin Dr. Claire Masterson noch nicht. Claire, das ist Sarah Niehusen, eine Freundin von Ilka, an die du dich wohl auch noch erinnerst.“
„Wie albern wir Neuseeländer immer Leute miteinander bekannt machen“, fiel Claire ihm burschikos ins Wort. „Das liegt an unseren englischen Vorfahren, fürchte ich. Wir sollten uns an den Amerikanern ein Beispiel nehmen und einfach `Hi, Claire` und `Hi, Sarah` sagen. Notfalls könnten wir uns auch Buttons mit unseren Namen anstecken. Nett, dich kennen zu lernen, Sarah. Zufällig habe ich einen Doktortitel, aber den können wir getrost weglassen. Wie wär´s mit einem Sherry zur Begrüßung, Frederik? Ich hoffe, du hast da vorgesorgt?“
Es wurde ein unvergesslicher Abend.
Dank Claires Unkompliziertheit und Offenheit und zwei Gläsern Sherry noch vor dem Essen, befand Sarah sich sehr
bald in einem amüsanten Dialog mit Claire, deren britischer Humor unweigerlich immer wieder zu schallendem Gelächter herausforderte, dem irgendwann auch Frederik sich nicht mehr anziehen konnte.
Dabei hatte gerade Sarah den Augenblick, da sie Frederik wieder begegnen würde, mit Skepsis entgegen geblickt, nachdem ihr erster gemeinsamer Abend so abrupt und disharmonisch geendet hatte.
Ihre verlorene Sandalette hing übrigens am nächsten Morgen an ihrer Türklinke – sehr taktvoll, ja, zartfühlend, hatte sie gedacht, als sie den Schuh dort entdeckte, doch anstatt erleichtert zu reagieren, war sie nur zutiefst beschämt gewesen.
Die Erinnerung daran verblasste in der Gesellschaft von Claire Masterson rasch. Claires hellblaue, spottlustige Augen lachten Sarah unter schmalen dunklen Brauen an und ließen ihr gar keine andere Wahl, als dieses Lachen zu erwidern.
Frederik schaltete sich nur ab und zu in das Gespräch ein. Meistens war es nur eine leichthin geworfene Bemerkung, nicht wirklich wichtig und deshalb bedeutungslos.
Sarah erfuhr an diesem Abend zu ihrem Erstaunen, dass „Blue Horizon“ bis vor einigen Jahren Claires Eltern gehört hatte.
„Hast du Sarah denn davon nichts gesagt?“ wandte Claire sich überrascht an Frederik, woraufhin der nur die Schultern hob und brummte: „Es hat sich nicht ergeben. Eigentlich sehen wir uns ja kaum.“
„Ah ja“, sagte Claire gedehnt, während sie von Frederik hinüber zu Sarah und dann wieder zu Frederik blickte. „Dann werde ich dir jetzt die ganze Geschichte selbst erzählen, Sarah. Als ich zehn Jahre alt war, beschlossen meine Eltern, nach Neuseeland auszuwandern. Wir lebten damals…“
Die Mastersons lebten in einem einsamen Dorf im britischen Wales, bewirtschafteten eine große Farm, waren nicht arm, aber auch nicht reich, immerhin reichte das jährliche Einkommen dafür, der Tochter eine exzellente Schulbildung im nahen Cardiff zu finanzieren. Es stand fest,
Weitere Kostenlose Bücher