Liebeslied für einen Fremden: Das Buch der Liebe (German Edition)
in der Lounge des Hotels bei einem Nachmittagsdrink zusammen saß – eine Einladung, die Julian nur zögerlich angenommen hatte.
„Ich auch nicht“, erwiderte er gleichgültig, während er den Gin tonic im Glas kreisen ließ.
„Wieso war sie dann mit dir auf dem Bahnhof?“ wollte Verena erstaunt wissen.
„Sie fährt mir immer hinterher, egal, wohin.“
„Ach? Was ist das – so eine Art moderne Schnitzeljagd?“ mokierte Verena sich, um dann hinzu zu fügen: „Was tust du überhaupt hier in Hamburg? Lebst du nicht zusammen mit Jessica in Berlin? Oder habe ich da irgendwas falsch verstanden?“
„Ach, na ja, leben würde ich das nicht nennen“, murmelte Julian. „Ich war hier zu einer Rave-Party, die drei Tage lief. Ich hab´ bei ein paar Freunden geschlafen. Was Jess betrifft – sie kann einfach nicht anders. Ich kann nichts dagegen machen. Wo ich bin, taucht sie wenig später auch auf. Keine Ahnung, warum.“
„Ihr seid wirklich das seltsamste Paar, dem ich jemals begegnet bin“, belustigte seine Mutter sich. „Warum trennst du dich nicht einfach von ihr, wenn du sie satt hast?“
„Es ist nicht so, dass ich es nicht versucht hätte. Aber sobald ich das Thema anschneide, fängt sie an zu weinen und ich kann sie nun mal nicht weinen sehen“, brummte Julian.
Verena lächelte wissend. „Sei ehrlich, du schläfst auch mit anderen Mädchen, richtig?“
„Mutter! Mein Liebesleben geht dich nun wirklich nichts an!“
Julians klingelndes Mobiltelefon verhinderte, dass Verena sich noch irgendwie zu dem äußern konnte, was er gesagt hatte, denn nun musste er telefonieren, und dazu zog er sich diskret an eines der Fenster zurück.
Das Gespräch dauerte nicht lange. Nach fünf Minuten war er schon wieder bei Verena, die mit missbilligendem Stirnrunzeln von ihrem Sohn, kaum, dass er sich wieder gesetzt hatte, wissen wollte:
„War das jetzt so wichtig? Musstest du unbedingt…“
„Es war Sarah“, kam Julians Antwort gelassen und souverän, als erklärten die drei Worte schon genug.
Verenas Blick bewölkte sich. „Diese… diese Lehrerin? Mit der dein Vater immer noch irgendwie liiert ist?“
„Sie leben zusammen, Mutter“, erklärte Julian, nicht ohne eine gewisse Belustigung. „Sie sind ein Paar.“
„Aber Robert hat sie nicht geheiratet, oder?“ Verenas Stimme klang scharf.
Ihr Sohn warf ihr einen kritischen Blick zu. „N-nein, hat er nicht, aber nicht, weil er nicht will, sondern weil Sarah alle seine Anträge bisher abgelehnt hat.“
Verena schwieg kurz. „Wovon lebt er denn eigentlich seit dem Bankrott der Firma?“
„Sarah hat das Grundstück auf Sylt zu einem sehr guten Preis verkauft“, erwiderte Julian Achsel zuckend. „An Cornelius. Erinnerst du dich an ihn? Er hat damals auch unser Haus in Rantum gekauft.“
„Ach, dieser unerträgliche Prolet“, wurde Verena herablassend. „Ich habe mich immer gefragt, woher der Mann das viele Geld hatte.“
„Keine Ahnung. Aber es wird immer mehr. Was Cornelius anfasst, wird zu Geld. Er hat Robert als Geschäftsführer eingestellt. Alleine kann Cornelius nämlich nicht mehr schaffen, was er sich vorgenommen hat.“
„Robert ARBEITET für den Mann?“ Verena sah Julian an, als hätte der soeben den Untergang des Abendlandes angekündigt. „Mein Gott, wie tief kann ein Mensch sinken!“
Julian lachte auf. „Vater wird blendend bezahlt. Es ist ihm wichtig, nicht von Sarahs Geld zu leben. Die Versicherung, die für den Schaden des abgebrannten Ferienhauses aufkommen musste, hat endlich auch reagiert. Allmählich ist Sarah richtig wohlhabend geworden.“
Verenas Mund wurde immer schmaler, je länger sie ihrem Sohn zuhörte. Es war kaum zu übersehen, dass ihr das, was Julian erzählte, nicht gefiel. Hiobsbotschaften, Horrorszenarien von einem Robert, der nach dem Bankrott seiner Firma in der Gosse gelandet war, wären ihr offenbar lieber gewesen.
Prompt meinte sie in das Schweigen hinein, das sich zwischen sie und Julian schob:
„Robert war kein guter Geschäftsmann. Die Art, wie er die Manufaktur in die Pleite wirtschaftete…“
„Glaubst du, dass du das beurteilen kannst?“ unterbrach Julian sie da kühl. „Dich hat doch gar nicht interessiert, was er tat. Du bist immer nur um dich selbst gekreist. Ist überhaupt jemals etwas zu dir durchgedrungen, wenn Vater versucht hat, über seine Situation zu reden?“
Verena wurde blass. In der nächsten Sekunde jedoch schoss hilflose Wut in ihr hoch, von der sie nicht
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