Liebeslied für einen Prinzen
anderen. Wenn er das verlor …
Nein, daran durfte er gar nicht denken.
Immer noch kein Netz, Adam konnte nicht telefonieren. Unruhig marschierte er durch den Garten. Die Umgebung lenkte ihn ab. Neugierig erkundete er, wie Elena wohnte und welche Bäume in ihrem Garten standen.
Hier gefiel ihm alles genauso gut wie im Haus, und schon nach wenigen Minuten entspannte er sich. Auf der Terrasse aus Natursteinen standen ein Tisch und zwei Stühle unter einem Sonnenschirm, umgeben von bunten Blumen. Nur wenige Meter entfernt entdeckte Adam ein kleines Häuschen mit zwei Betten und einem Wandschrank. Vermutlich war das früher eine Garage gewesen, die irgendwann umgebaut worden war. Wurde dieses Gartenhaus benutzt? Wohnte hier jemand?
Als er ins Haus zurückkehrte, spielte Elena gerade ein Stück aus „Peter und der Wolf“. Den Kopf auf ihren Schoß gelegt, schlief Jeremy.
Adam blieb in der Tür stehen und betrachtete die friedliche Szene, die ihn an eine andere Zeit und einen anderen Ort erinnerte. Er fühlte sich zurückversetzt in die Vergangenheit, Erinnerungen stiegen in ihm auf, eine tiefe Sehnsucht ergriff ihn mit einem Mal.
Unwirsch schob er die Erinnerungen beiseite. Was hatte das alles hier mit der hektischen und gnadenlosen Welt zu tun, in der er heute lebte? Nichts! Es war sicher ein verlockender und anrührender Anblick, doch niemand lebte in Träumen. Mit der Wirklichkeit hatte es nichts zu tun. Adam war klar, dass es zu gefährlich war, sich etwas anderes zu wünschen.
Als Elena zu spielen aufhörte, sagte er: „Bei Jeremy haben Sie offenbar das richtige Mittel gefunden.“
Sie hob den Kopf. „Er ist eingeschlafen, oder?“
„Ja. Wer hätte gedacht, dass er so gut auf Prokofjew anspricht.“
„Ah, sie kennen den Komponisten?“, fragte sie erfreut.
Adam dämpfte nur ungern ihre Freude, doch er wollte ihr nichts vormachen. „Eigentlich nicht. Ich kenne ‚Peter und der Wolf‘, weil ich vor einiger Zeit eine Serie für einen Bildungskanal produziert habe. Dabei ging es unter anderem um dieses Stück als Puppenspiel.“
„Ach“, murmelte sie und wirkte enttäuscht.
Weshalb sollte es für sie eine Rolle spielen, ob er klassische Musik kannte? Gleichzeitig berührte und störte es ihn. Suchte sie nach einer Gemeinsamkeit zwischen ihnen? Wollte er das überhaupt?
Diese Frau verblüffte ihn immer wieder durch ihr widersprüchliches Verhalten. Normalerweise waren die Verhältnisse zwischen ihm und einer Frau schnell geklärt. Entweder gefiel ihm eine oder nicht. Entweder engagierte er eine oder nicht. Entweder ging er mit einer aus oder eben nicht. Elena Valerio passte nicht in sein Schema.
„Sie produzieren fürs Fernsehen?“, fragte sie und schloss den Klavierdeckel.
„Ja, auch fürs Theater. Mir gehört eine Produktionsfirma in Los Angeles.“
Elena nickte, ließ die Hand sanft auf Jeremys Stirn sinken und strich ihm das Haar aus dem Gesicht. Wieder überkamen Adam seltsame Empfindungen, und er wusste nicht recht, warum.
„Ich lege ihn auf die Couch“, sagte er schroff, um sich abzulenken.
Während er seinen Sohn hochhob, fing er den feinen Duft auf, den er stets in Elenas Nähe bemerkte. Jeremy bewegte sich nicht und schlief auf dem Sofa weiter. Erleichtert wandte Adam sich an seine bezaubernde Gastgeberin.
„Sie spielen wundervoll“, sagte er und meinte es tatsächlich ernst.
„Danke.“
Er bemerkte, dass sie keine falsche Bescheidenheit an den Tag legte. Das gefiel ihm. Adam ging oft mit Künstlern und anderen kreativen Menschen um und erkannte sofort Elenas unaufdringliches Selbstbewusstsein. Er trat ans Klavier und lehnte sich dagegen.
„Ist das Ihr größtes Talent?“
„Ja, eigentlich schon“, erwiderte sie und lächelte wehmütig. „Manche würden sagen, dass es sogar mein einziges Talent ist.“
„Das glaube ich nicht.“ Bestimmt war sie noch auf anderen Gebieten sehr gut. Bisher hatte sie auf ihn einen erstaunlich tüchtigen Eindruck gemacht. „Treten Sie eigentlich auch als Pianistin auf?“
Elena lächelte überrascht und erfreut. Die meisten Leute gingen davon aus, dass sie blind war und deshalb gar nicht arbeitete. Sekundenlang überlegte sie, ob sie ihm erzählen sollte, dass sie an der New Yorker Musikhochschule angenommen worden war. Aber wozu? Die Kurse begannen in wenigen Tagen, und so schnell konnte sie unmöglich in die Vereinigten Staaten umziehen, ganz zu schweigen davon, dass sie dort kein Geld zum Leben hätte. Im Moment war das alles ein
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