Liebeslied für einen Prinzen
„Nein, Adam, das hat nichts mit Ihnen zu tun. Es liegt an mir. Manchmal ist es einfach unbeschreiblich schwer, dass …“ Ihr brach die Stimme. Elena wandte das Gesicht ab.
„Dass Sie nichts sehen?“, fragte er vorsichtig.
Die Lippen aufeinandergepresst, nickte sie. Adam zog sie an sich und hielt sie fest. Es fühlte sich so schön an, dass er kaum atmen konnte. Vertrauensvoll lehnte Elena den Kopf an seine Brust. Der Duft ihres Haars umhüllte Adam, und er empfand es als die reinste Qual, als sie sich wieder zurückzog. Trotzdem ließ er sie los. Er wusste, was sonst geschehen würde.
„Sie kommen sehr gut damit klar“, sagte er und hielt ihre Hand fest, damit Elena nicht wegging. „Aber ich kann mir vorstellen, dass es manchmal kaum auszuhalten ist.“
Elena nickte und nahm sich zusammen. „Dabei gehöre ich noch zu den Glücklichen, weil ich wenigstens früher sehen konnte und mich daran erinnere. Natürlich hat meine ausgeprägte Fantasie diese Erinnerungen im Lauf der Jahre wahrscheinlich verändert. Bestimmt stelle ich mir die Welt wesentlich bunter und schöner vor, als zum Beispiel Sie sie wahrnehmen.“
Tapfer lächelnd wischte sie sich die Tränen von den Wangen. Adam sah hilflos zu und glaubte ihren Schmerz fast körperlich zu spüren.
„Ich verstehe nicht, wie Sie damit so ruhig umgehen können. Hätte es mich getroffen“, sagte Adam, „würde ich wahrscheinlich ewig mit dem Schicksal hadern.“
„Das habe ich mit dreizehn ein halbes Jahr lang getan“, gestand sie. „Ich habe die ganze Zeit geweint. Meine arme Mutter.“ Elena schüttelte den Kopf. „Irgendwann habe ich begriffen, dass mir das gar nichts bringt. So normal zu leben, wie es eben geht, das hilft mir. Deshalb konzentriere ich mich darauf.“
„Sie mussten in Ihrem Leben so viel bewältigen“, sagte Adam und betrachtete sie nachdenklich. „Sie hatten es wirklich nicht leicht. Trotzdem denken Sie ständig darüber nach, wie Sie anderen Menschen helfen können.“ Ihr Haar glitt wie Seide durch seine Finger, als er leicht hindurchstrich. „Sind Sie wirklich ein Mensch aus Fleisch und Blut?“
Lachend drehte sie den Kopf und wandte sich ab, als seine Finger über ihre Wange strichen. „Das tue ich alles nur aus Selbstsucht“, behauptete sie. „Es macht mich glücklich, anderen Menschen eine Freude zu bereiten. Und ich bin gern glücklich.“ In ernstem Tonfall fuhr sie fort: „Adam, im Moment sind Sie derjenige, der große Probleme hat und schwere Entscheidungen treffen muss. Ich würde Ihnen gern helfen, aber ich weiß nicht wie.“
Seine Bewunderung für diese Frau war grenzenlos. Sie ließ sich einfach nicht beirren. Wie gern hätte er wieder die Arme um sie geschlossen. Da er jedoch die Folgen fürchtete, hielt er sich zurück.
Heute hatte er sich abermals vor Augen führen lassen, dass Elenas Ansichten richtig waren. Sie hatte überhaupt immer recht. Und Adam musste sich tatsächlich mit großen Schwierigkeiten auseinandersetzen. Er konnte sich nicht vorstellen, wie er sie ohne Elena bewältigen sollte. Sie war ihm so wichtig geworden. Beinah erschreckte ihn diese Tatsache.
Elenas Hauptinteresse galt im Moment dem Aufenthalt in New York. Gemeinsam mit Gino hatte Adam ihr nach Kräften bei den Vorbereitungen geholfen. Zwar gingen sie sich noch immer so gut wie möglich aus dem Weg. Trotzdem musste Adam zugeben, dass Gino richtig gehandelt hatte, indem er die Schule über Elenas besondere Begabung und ihre Geldnot informiert hatte. Ohne Gino wäre Elenas Traum vielleicht gescheitert.
Während Elena am nächsten Tag packte, stellte sie Adam zahlreiche Fragen über New York. „Wie ist diese Stadt in Wirklichkeit? Sind die Gebäude tatsächlich so hoch, wie alle sagen? Gibt es viele Wolkenkratzer? Und hasten die Menschen wirklich wie gehetzt durch die Straßen?“ Bevor Adam antworten konnte, redete sie schon weiter. „Werde ich mich dort überhaupt zurechtfinden? Wird alles zu schnell und zu verwirrend sein? Werde ich … werde ich versagen?“, fragte sie zuletzt zaghaft.
Adam beantwortete sämtliche Fragen nach bestem Wissen und Gewissen, vor allem die letzte.
„Nein, Sie werden nicht versagen. Im Gegenteil, Sie werden New York im Sturm erobern. Ich garantiere Ihnen, dass nach spätestens einem Monat alle in der Schule wissen werden, wer Sie sind und was Sie können.“
Vollständig konnte er ihr die Sorgen damit nicht nehmen. Adam erkannte es an ihrem zweifelnden Tonfall.
„Wenigstens werde ich
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