Liebeslüge, Liebesglück? (Julia) (German Edition)
ihr Herz haben.
Erschrocken verharrte sie mitten in der Bewegung, als die Worte in ihr nachhallten, die sie gerade selbst gesagt hatte. Ihr Kopf sollte wieder die Macht über ihr Herz haben.
Nein! Das ist nicht wahr, dachte sie voller Panik. Ihr Herz hatte nichts damit zu tun! Sie liebte ihn nicht. Sie liebte ihn nicht!
„Weltwirtschaft … Finanzpolitik … Beschäftigungsniveau … Infrastrukturinvestitionen …“
Athan ließ die Begriffe an sich vorbeiziehen. Er hörte nicht zu, tat allerdings so, um nicht unhöflich zu erscheinen. Der Redner – führender Ökonom einer wichtigen Bank – schien schon seit einer Ewigkeit zu reden. Und Athan hatte das alles bereits mehrfach gehört, denn es war der dritte Tag der Konferenz. Er nahm teil, um Zeit herumzubringen, die er sonst mit Grübeln und Selbstvorwürfen verbracht hätte. Denn er hatte Marisa verloren, so einfach war das. Und es brachte ihn zur Verzweiflung.
Wie war das passiert? Wie hatte er nur alles so in den Sand setzen können? Athan kannte die Antwort auf diese Fragen genau, doch es fiel ihm schwer, sich die Wahrheit einzugestehen. Wie wild vor Eifersucht war er zu ihr nach Devon gerast, wo sie sich in ihr armseliges Häuschen zurückgezogen hatte. Während der Fahrt hatte er sich noch eingeredet, nur aus Wut auf Ian so aufgebracht zu sein. Doch in Wirklichkeit hatte es allein mit ihm selbst und seinen Gefühlen zu tun gehabt. Und dann hatte Marisa sehr deutlich und kategorisch abgelehnt, jemals wieder etwas mit ihm zu tun zu haben.
Seitdem schwankte Athan zwischen Frustration und Selbstvorwürfen. Denn was er so sehr wollte, würde er nicht bekommen. Hast du wirklich geglaubt, Marisa würde dich mit offenen Armen empfangen, nachdem du sie so belogen und hintergangen hast? fragte eine innere Stimme höhnisch. Immerhin hatte er ihr vorgeworfen, die Ehe seiner Schwester zu zerstören.
Das stimmte. Es war absehbar gewesen, dass sie ihn nicht überglücklich in die Arme schließen würde. Er hatte nie auch nur die geringste Chance, sie zurückzugewinnen. Nicht nach allem, was er ihr angetan hatte.
Dann wurde seine Miene hart. Denn andererseits hatte Marisa kein Recht, sich hintergangen zu fühlen. Immerhin hatte sie sich mit einem verheirateten Mann eingelassen! Das musste Athan sich immer wieder in Erinnerung rufen.
Doch im gleichen Moment regte sich noch ein anderer Gedanke in ihm und verursachte Gewissensbisse: die Erinnerung an Marisas beengtes, ärmliches Zuhause. Kein Wunder, dass das Leben, das sein Schwager ihr geboten hatte, so eine unwiderstehliche Verlockung gewesen war. Für einen erfahrenen Charmeur wie Ian war es sicher ein Leichtes gewesen, sie zu betören. Marisa war dem oberflächlichen Charme eines Mannes verfallen und hatte bewusst ausgeblendet, dass dieser verheiratet war. Und deshalb war Athans skrupelloser Verführungsplan absolut gerechtfertigt gewesen.
Doch eigentlich war es nebensächlich, ob sein Handeln gerechtfertigt gewesen war oder nicht. Marisa hatte ihn in hohem Bogen hinausgeworfen. Er hatte sie verloren – für immer.
Immer wieder regte sich tief in Athans Innerem ein Gefühl, das er mit aller Macht zu verdrängen versuchte und sich einfach nicht eingestehen wollte, denn es war kaum zu ertragen.
Wir haben so gut zueinandergepasst, dachte er. Es hat einfach funktioniert zwischen ihnen. Warum das so war, wusste er auch nicht. Mit Marisa war alles so entspannt und harmonisch gewesen. Er hatte sich in ihrer Gegenwart unglaublich wohlgefühlt.
Unwillkürlich musste Athan an die paradiesischen zwei Wochen in der Karibik denken, in denen er immer wieder voller Unbehagen daran gedacht hatte, was er nach der Rückkehr würde tun müssen. Er hatte alles zerstört. Also konnte er sich wohl kaum darüber beklagen, dass Marisa nichts mehr mit ihm zu tun haben wollte. Er hatte das alles seiner Schwester zuliebe getan, und jetzt musste er mit den Konsequenzen leben.
Während Athan so hart mit sich ins Gericht ging, sagte plötzlich eine andere Stimme tief in seinem Innern: Um die Ehe deiner Schwester zu retten, hast du etwas verloren, das du niemals zurückbekommen wirst.
Trostlos ließ er den Blick durch den Konferenzraum gleiten, ohne etwas wahrzunehmen.
Marisa, die gerade die Wohnzimmerdecke strich, spitzte die Ohren. Als sie hörte, dass sich ein Auto näherte, runzelte sie erstaunt die Stirn. Heute war nicht der Tag, an dem sie ihre Lebensmittel geliefert bekam, und ansonsten gab es hier kaum Verkehr.
Sie legte
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