Liebeslüge, Liebesglück? (Julia) (German Edition)
begonnen, und als sie vor dem Blumenbeet kniete, wärmten ihr die warmen Sonnenstrahlen den Rücken – eine wahre Wohltat.
Solche kleinen Freuden hatte Marisa dringend nötig, und sie konzentrierte sich dankbar auf jede noch so kleine davon. Sie tat alles, damit die Erinnerungen an Athan dort blieben, wo sie sie tief in ihrem Innern vergraben hatte.
Ein Rotkehlchen hüpfte am hinteren Rand des Beets entlang und sah sie mit schief gelegtem Köpfchen hoffnungsvoll an. Marisa entdeckte einen sich ringelnden Regenwurm, den sie beim Graben wohl gerade freigelegt hatte. Schnell deckte sie ihn wieder zu. Sie hatte das Rotkehlchen zwar sehr ins Herz geschlossen, wollte aber keinen unschuldigen Wurm verfüttern, der einfach nur in Frieden leben wollte – so wie sie selbst.
Ja, Marisa wünschte sich momentan nichts als ein ruhiges, friedliches Leben in Geborgenheit und dort, wohin sie gehörte.
Mehrere Wochen waren vergangen, seit Athan so unerwartet aufgetaucht und dann wieder verschwunden war. Wie viele Wochen es waren, wusste Marisa nicht genau. Sie hatte ganz bewusst vermieden, die Tage zu zählen. Die Tage vergingen, einer nach dem anderen. Ihr fiel nur auf, dass der Frühling nun wirklich begonnen hatte und die Natur aus dem Winterschlummer erwachte. An einem Tag bemerkte sie einige Schlüsselblumen, dann regneten die Weidenkätzchen goldgelben Blütenstaub auf sie, und am folgenden Tag hatten die kahlen Bäume erste zartgrüne Triebe. Mehr wollte und brauchte Marisa im Moment gar nicht.
Von anderen Menschen hielt sie sich fast vollständig fern. Damit sie nicht ins Dorf zu gehen brauchte, ließ sie sich einmal wöchentlich von einem Supermarkt in einer Stadt der Umgebung Lebensmittel liefern. Manchmal fuhr ein Traktor am Cottage vorbei. Selbst dann achtete Marisa darauf, nicht bemerkt zu werden. Sie wollte einfach niemanden sehen.
Ein bisschen war es, als würde sie Winterschlaf halten. Sie zog sich zurück und versuchte, weder nachzudenken noch zu fühlen. Um sich abzulenken, arbeitete sie im Garten. Dort hatte sie das Gefühl, die Anwesenheit ihrer Mutter zu spüren, die sich über ihre Bemühungen freute. Als sei sie froh, dass ihre Tochter hier Zuflucht vor dem Mann gefunden hatte, der sie nicht wollte.
Um Marisas Mund zuckte es. Das stimmt nicht, dachte sie. Athan hatte sie gewollt. Genau das war ja die schmerzliche Ironie. Aber glaubte er wirklich, sie könne einfach vergessen, was er ihr angetan hatte, und so tun, als sei nichts davon passiert? Offenbar glaubte er das wirklich. Denn er war davon ausgegangen, sie könnten einfach wieder zusammen sein, er könne sie mit in sein Bett nehmen und …
Hör auf! ermahnte Marisa sich. Solche Gedanken waren gefährlich, denn sie riefen schmerzliche Erinnerungen wieder in ihr wach.
Energisch stieß sie die Schaufel tiefer in die Erde und kämpfte mit einer langen, widerspenstigen Löwenzahnwurzel. Wenn sie diese nicht restlos entfernte, würden sich immer wieder neue Triebe den Weg zum Licht bahnen. Diese Blumen ließen sich nur mühsam im Zaum halten, genau wie die Erinnerungen an Athan.
Marisa unterbrach ihre Arbeit und ließ den Blick über die Hecke zu dem Hang gleiten, der ins offene Heidemoor führte. Sie beschloss, später einen Spaziergang zu machen, um den Kopf freizubekommen und unliebsame Gedanken zu vertreiben. Immer wieder gingen ihr Fragen durch den Kopf, die sie nicht beantworten konnte und die sie leider nicht zur rechten Zeit gestellt hatte – Fragen an ihre Mutter.
Wie lange hast du gebraucht, um über meinen Vater hinwegzukommen, um ihn aus deinen Gedanken und deinem Herzen zu vertreiben? Wann hattest du dich ganz von ihm befreit? Bist du überhaupt jemals über ihn hinweggekommen?
Nämlich genau davor hatte Marisa furchtbare Angst, dass ihre Wunde zu tief war und niemals heilen würde. Denn sosehr sie sich auch von Athan abzulenken versuchte und Trost in dieser vertrauten Umgebung suchte, es funktionierte nicht. Wie lange würde sie brauchen, um über ihn hinwegzukommen? Diese Frage quälte sie fast ununterbrochen.
Sehnlichst wünschte sie, sich nicht ständig mit aller Macht ablenken zu müssen. Wie gern hätte sie sich ganz auf diesen Ort eingelassen und die wilde Natur genossen, das Heidemoor, die stillen Felder und Hecken. Doch das war offenbar nicht möglich. Dabei sollte sie doch langsam zumindest anfangen, ihn zu vergessen, dachte Marisa verzweifelt und fing wieder an zu graben. Langsam sollte ihr Kopf wieder die Macht über
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