Liebesnacht mit einem Mörder
Ermittlungsleiterin, Lieutenant Eve Dallas.«
Er drehte sich zu ihr um und flüsterte ihr zu: »Fünf Minuten, und geben Sie den Kerlen bloß nicht mehr, als sie schon haben. Außerdem ziehen Sie sich nächstes Mal am besten einen Mantel an.«
Sie schlang sich ihre Jacke um den Leib und trat einen Schritt nach vorn.
»Gibt es bereits irgendwelche Verdächtigen?«
Am liebsten hätte Eve mit den Augen gerollt. Sie hasste es, sich mit den Medien auseinander setzen zu müssen. »Zurzeit werden im Zusammenhang mit diesen Fällen mehrere Personen von uns befragt.«
»Wurden die Opfer sexuell misshandelt?«
»Die Taten werden von uns als Sexualmorde betrachtet.«
»In welcher Beziehung stehen die Morde zueinander? Haben die Opfer einander gekannt?«
»Über diesen Aspekt unserer Ermittlungen kann ich zum jetzigen Zeitpunkt noch nichts sagen.« Als die Journalisten anfingen zu murren, hob sie gebieterisch die Hand. »Allerdings gehen wir davon aus, dass es eine Verbindung zwischen allen Fällen gibt. Wie Chief Tibbie bereits sagte, weisen die Ermittlungen bisher auf einen Täter hin.«
»Der Weihnachtsmann«, rief irgendein Witzbold und brachte die Menge dadurch zum Lachen.
»Ja, machen Sie ruhig Witze.« Der aufwallende Zorn wärmte ihr Blut und ließ sie ihre kalten Hände für eine Minute vergessen. »Das ist sicher nicht weiter schwer, wenn man seine Opfer nicht gesehen hat und wenn man nicht den Müttern und Partnern dieser Menschen sagen musste, dass jemand, den sie geliebt haben, ermordet worden ist.«
Stille senkte sich über die Menge, und sie hörte das Rauschen der Rotoren eines Hubschraubers der Verkehrswacht über ihrem Kopf. »Ich schätze, dass der Mensch, der für dieses Elend, für die Toten verantwortlich ist, total begeistert davon sein wird, wenn er recht viel Publicity bekommt. Also los, erfüllt ihm seinen Wunsch. Macht die Morde an vier Menschen zu banalen Nebensächlichkeiten, und macht ihn zu einem Star. Aber wir hier bei der Polizei, wir wissen, was er ist. Ein jämmerliches Würstchen, noch jämmerlicher als ihr. Mehr habe ich nicht zu sagen.«
Ohne auf die empörten Buhrufe zu achten, drehte sie sich abrupt um und hätte dabei ihren Vorgesetzten beinahe umgerannt.
»Kommen Sie einen Moment mit rein, Lieutenant.« Er nahm ihren Arm und führte sie entschlossen zwischen den Wachmännern hindurch durch die verstärkten Türen ins Gebäude. »Gut gemacht«, lobte er knapp. »Und nun, da wir dieses lästige Spektakel hinter uns gebracht haben, muss ich mich noch um den Bürgermeister kümmern. Gehen Sie, und bringen Sie diesen Hurensohn zur Strecke, Dallas.«
»Sehr wohl, Sir.«
»Und besorgen Sie sich, um Himmels willen, Handschuhe«, fügte er, während er bereits von dannen eilte, mit schauderndem Schütteln hinzu.
Stattdessen vergrub Eve eine ihrer eisigen Hände in der Tasche ihrer Jacke und griff mit der anderen nach ihrem Handy. Erst versuchte sie ihr Glück bei Dr. Mira, dort jedoch wurde ihr erklärt, dass die Sitzung, in der sie sich derzeit befand, noch nicht abgeschlossen war, und so wählte sie als Nächstes die Nummer ihrer Assistentin.
»Haben Sie in Bezug auf die Kette schon was rausgefunden? «
»Vielleicht. Der Juwelier bei Baubles and Bangles in der Fünften hat die Kette entworfen und auch selber hergestellt. Es war eine Auftragsarbeit und deshalb ein Unikat. Sie gehen gerade die Kundendatei durch, aber die Frau meinte, sie könne sich daran erinnern, dass der Kunde persönlich vorbeigekommen sei, um die Kette abzuholen. Der Laden ist mit Sicherheitskameras bestückt.«
»Dann treffen wir uns dort. Ich mache mich sofort auf den Weg.«
»Lieutenant?«
Sie blickte über die Schulter und entdeckte einen bleichgesichtigen Jerry Vandoren, der unbemerkt von hinten auf sie zugetreten war. »Jerry, was machen Sie denn hier?«
»Ich habe von der Pressekonferenz gehört. Ich wollte…« Er hob seine Hände und ließ sie hilflos wieder fallen. »Ich wollte wissen, was Sie zu sagen haben. Ich habe es gehört. Ich wollte Ihnen danken… «
Wieder brach er ab und sah sich so gehetzt um, als wäre er urplötzlich auf einem anderen Planeten.
»Jerry.« Sie nahm seinen Arm und führte ihn, bevor die Journalisten Lunte rochen und sich auf ihn stürzten, von den Türen fort. »Sie sollten nach Hause fahren.«
»Ich kann nicht schlafen. Ich kann nicht essen. Ich träume jede Nacht von ihr. Wenn ich von ihr träume, ist Marianna noch am Leben.« Er atmete erschaudernd ein.
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