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Liebesnächte in der Taiga

Liebesnächte in der Taiga

Titel: Liebesnächte in der Taiga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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blondes, stoppeliges Haar. Ihr Herz war schwer von Liebe und Angst, und sie konnte sich nicht erklären, warum es so war.
    Mein Pawluscha, dachte sie. Gott möge verhüten, daß ich dich einmal überlebe. Wahnsinnig würde ich ohne dich, den Kopf würde ich mir einrennen oder in die Lena springen. Es gibt für mich keine Welt mehr ohne dich …
    Hat jemals eine Frau schon so geliebt wie Ludmilla Semjonowa?
    Man muß in der Taiga leben, um zu wissen, wie nötig ein Mensch den anderen braucht.
    Das Unglaubliche trat ein: Es geschah nichts!
    Schliemann kehrte nach zwei Tagen mit der Bahn nach Shigansk und von dort mit dem ›Dreieckigen‹ per Lastwagen nach Bulinskij zurück und schwieg ebenfalls über das, was in Jakutsk geschehen war. Er brachte zehn Schleifsteine und zwei Drechselmaschinen mit, und der Transport dieser fünf Kisten von Jakutsk bis Shigansk, wo sie der ›Dreieckige‹ auf den Lastwagen umlud, war eine Geschichte für sich.
    Sie begann mit einem Streit beim Güterbahnhof-Vorsteher in Jakutsk, der behauptete, es gäbe in den nächsten acht Wochen keinen Platz für die fünf elenden Kisten.
    »Staatstransporte, Genosse!« schrie er. »Die gehen vor. Alle Waggons sind besetzt! Und außerdem müssen Sie einen Antrag stellen, einen Fragebogen ausfüllen und nachweisen, daß der Inhalt der Kisten wichtig ist für den Aufbau des sozialistischen Staates!«
    Egon Schliemann antwortete etwas Unfeines, aber dann legte er zehn Rubel auf den Tisch des Vorstehers und trat an das Fenster. »Sie haben eine hübsche Frau, Genosse«, sagte er. »Man kann Ihnen gratulieren. Bitte, benutzen Sie die kleine Summe, Ihrer Frau meine Verehrung zu bekunden mit dem Kauf eines schönen Blumenstraußes.«
    »Genosse, Sie haben Anstand und Bildung«, antwortete der Güterbahnhof-Vorsteher und steckte das Geld ein. »Ich bin überzeugt, daß Ihre fünf Kisten dem Fortschritt dienen.«
    Damit hatte Schliemann einen Platz in einem Waggon nach Shigansk. Aber die Welt der Güterbahnhöfe besteht nicht nur aus einem Vorsteher. O nein, Genossen! Da gibt es den Lade-Vorarbeiter, den Bremser, den Güterbuchführer, den Ankoppler und – ungeheuer wichtig! – den Mann mit dem Sackkarren und dem Mulischlepper, ohne den es keinen Güterbetrieb gibt, denn er muß die Kisten zum Waggon bringen. Und alle mußten überzeugt werden, daß die fünf Kisten dem Aufbau dienten.
    »Genossen«, sagte Schliemann am Ende sichtlich erschöpft, als die Kisten endlich im Waggon standen, »jetzt begreife ich, warum man für die Herstellung einer neuen Schraube einen Siebenjahresplan braucht.«
    Darüber lachte man wie über einen guten Witz, ließ eine Flasche Samogonka kreisen und war guter Dinge.
    Das war das letzte, was Schliemann aus Jakutsk mitbrachte: Die Straßensperren waren aufgehoben worden, die Hausdurchsuchungen endeten mit einem Mißerfolg. Zwar hatte man noch neun Männer, die Semjonow ähnlich sahen, verhaftet, aber als Marfa immer wieder den Kopf schüttelte, verzichtete Karpuschin auf ein weiteres Verhör und ließ sie laufen.
    »Verzichten wir darauf, eine Meldung nach Moskau zu machen«, sagte er zu dem Distriktsowjet und besprach die Sache auch mit den militärischen Kommandeuren der eingesetzten Truppen. »Oder melden wir die Aktion als eine Übung für den Ernstfall. Bereit sein ist alles, Genossen!«
    Und so geschah es. In Moskau legte man den Bericht zu den Akten. Nur General Chimkassy, Karpuschins Widersacher im Kreml, wiegte den Kopf und meinte: »Da ist etwas faul, Brüder! Probealarm! Hat Karpuschin nicht den Befehl, so lange anonym zu bleiben, bis er Semjonow entdeckt hat?« Aber auch Chimkassy schwieg. Man soll die Mühlen nicht unnötig laufen lassen. Wer weiß, ob man nicht eines Tages selbst zwischen die Mahlsteine gerät …
    Die Zeit verstrich. Das Leben in Nowo Bulinskij hatte seine festen Gesetze. Da war die Sowchose Munaska, da war die Lena mit ihrem Fischreichtum, da war die Taiga mit ihren Tieren, und da hatte jeder sein Gärtchen und ein bißchen Feld am Haus, einen Stall und einen Schuppen, einen Zaun, der im Frühling weiß gestrichen wurde. Und Bulinskij hatte den Popen Alexeij, der jedes Jahr im Frühjahr die Bürger aufrief, die Kirche zu retten, denn sie sei baufällig, vernachlässigt, dem Untergang geweiht, weil die Faulpelze lieber herumsoffen und sich zu ihren Frauen legten, als eine Hand für das Haus Christi zu rühren. So wenigstens brüllte der Pope es jeden Frühling durch die Kirche. Der Erfolg blieb

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