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Liebesnächte in der Taiga

Liebesnächte in der Taiga

Titel: Liebesnächte in der Taiga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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habe die ganze Stadt durchsucht … er ist mir wieder entwischt?«
    »Semjonow ist ein Genie. Ich könnte ihn fast lieben!« sagte Marfa und streckte sich.
    Karpuschin warf den Brief gegen die Wand, schlug mit der Faust auf den Tisch, trank ein Glas Wodka und war ehrlich verzweifelt.
    »Sie zwingen einen zu illegalen Methoden!« schrie er. »Jawohl! Man wird ein schlechter Mensch, um ihnen gerecht zu werden! Man wird ein Schuft, weil der eigene Kopf nicht wackeln soll! Marfa, schwarzes Schwänchen, erfüllter Traum meines Lebens … Sie werden auch dich in die Lubjanka stecken, weil du dich im Bett wälzt, statt nach Semjonow zu suchen. Ich werde es nun tun müssen. Verdammt noch mal … ich werde es tun müssen!«
    »Was, mein Bärchen?« fragte Marfa. Sie war müde. Karpuschins Zärtlichkeiten glichen dem Ersteigen eines Berges. Wenn man den Gipfel erreichte, war die Luft dünn.
    »Der falsche Semjonow …«
    »Wieso?« fragte Marfa.
    »Ich habe aus der Auswahl der damals Verhafteten einen Menschen behalten, der so aussieht wie Semjonow und keinerlei Anhang hat.« Karpuschin atmete hastiger. Er ging zum Waschbecken und goß sich kühles Wasser über den erhitzten Schädel. »Ich muß jetzt einen Semjonow nach Moskau schicken. Einen toten Semjonow. Und du wirst erklären, daß der Tote der echte Semjonow ist.«
    »Nein!« sagte Marfa. »Nein, das tue ich nicht.«
    »Du tust es!« brüllte Karpuschin.
    »Nein! Ich lüge nicht.«
    »O Himmel! Sie lügt nicht! Ein treues Dummerchen ist sie, ein Seelchen, ein harmloses Goldfischlein!« Karpuschin war mit zwei Schritten am Bett und riß Marfa mit einem Ruck aus den Federn. Sie fiel vor dem Bett auf die Knie und stieß einen hellen Quietschlaut aus. »Anziehen!« schrie Karpuschin. »Dieser Brief ist deutlich genug! Ich bin ein guter Mensch … aber sie zwingen mich in Moskau, zu tun, was ich verabscheue.«
    Marfa schwieg. Sie erhob sich vom Boden, rieb sich die Knie und zog sich stumm an. Daß sie nichts sagte, nicht klagte und auch nicht drohte, bei weiterer roher Behandlung in der nächsten Nacht mit einer geschlossenen ledernen Hose ins Bett zu gehen, hätte Karpuschin nachdenklich und vorsichtig machen müssen. Aber er übersah es, weil er zu wütend war und zu verzweifelt über das, was ihm bevorstand.
    Marfa Babkinskaja kämmte sich und band ein rotes Band in ihre schwarzen Haare. Im Spiegel beobachtete sie den verstörten Karpuschin.
    In meiner Gewalt bist du, dachte sie und lächelte böse. Ich muß bestätigen, daß er Semjonow ist. Ich ganz allein! An meinem Ja oder Nein hängt dein Leben, mein dickes Bärchen. Ein einziges, kleines, dummes Wort ist dein Leben noch wert, Generalmajor Karpuschin. Und dieses Wörtchen spreche ich.
    Du solltest dich gut stellen mit Marfa Babkinskaja. Ihre Händchen solltest du küssen, Dickerchen.
    Eine halbe Stunde später saßen sie im Zimmer des Distriktsowjets von Jakutsk. Ein überraschender Besuch Karpuschins ist immer eine zweifelhafte Sache. Nie kommt etwas Gutes dabei heraus. Das wußte man bereits im Parteihaus. Und so servierte der Sekretär erst einmal eisgekühlten Wodka mit Selterswasser und süßes Gebäck. Karpuschin trank ein paar hastige Schlucke und erklärte dann sein Kommen.
    »Wir müssen Semjonow nach Moskau schicken, Genossen! Er muß unterwegs sein, bevor jemand von Moskau nach Jakutsk kommt. Sie verstehen?«
    »Nein«, erwiderte der Distriktsowjet.
    Karpuschin sah an die Decke aus Gipsstuck und Holztäfelung. Nicht die Klügsten haben immer die besten Stellungen, dachte er. Es ist wie überall: Ein großes Maul übertönt die Intelligenz.
    »Wir müssen Semjonow abliefern, Genosse!« sagte er eindringlich.
    »Gut, gut!« Der Distriktsowjet lächelte dümmlich. Was will er bloß, dachte er. Träumt er schon mit offenen Augen von diesem elenden Semjonow? Er sieht doch sonst ganz gesund aus, der Genosse Matweij Nikiforowitsch. »Wo ist er?«
    »Bei Ihnen! Im Gefängnis!«
    »Bei mir?«
    »Der Anhanglose, Genosse!« rief Karpuschin. »Sagen Sie bloß nicht, Sie hätten ihn freigelassen!«
    »Der Doppelgänger?« Über das Gesicht des Distriktsowjets zog ein Schatten. »Sie sind ein Unglücksmensch, Matweij Nikiforowitsch.«
    »Ist er weg?« schrie Karpuschin und schnellte hoch.
    »O nein, er lebt. Aber wie! Irrsinnig ist er geworden.«
    »Irrsinnig?« fragte Karpuschin stockend.
    »In der Zelle kriecht er herum, auf allen vieren, und bellt. Zweimal hat er die Wärter gebissen. Und wie Semjonow sieht er auch

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