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Liebesnächte in der Taiga

Liebesnächte in der Taiga

Titel: Liebesnächte in der Taiga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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den Fortschritt zunutze und fliegt! Wenn ihr Glück habt, bekommt ihr noch einen Platz. Sie fliegen viermal am Tag nach Irkutsk.«
    Mit einem Autotaxi fuhren sie zum Flugplatz. Dort standen bereits zwei Schlangen Reisender an den Fahrkartenschaltern an und warteten, bis sie für den ersten Flug am frühen Morgen geöffnet wurden.
    »Warte hier«, sagte Semjonow zu Ludmilla und führte sie zu einer Bank. Sie legte sich darauf, stellte die Tasche mit Nadja neben sich und schlief ein, als sie kaum lag.
    Semjonow aber ging durch eine Tür, über der Eintritt nicht gestattet stand, in die Räume der Fahrkartenbeamten und traf einen schläfrigen Genossen an, der die Kasse und die Flugkarten bewachte.
    »Zwei Karten für den ersten Flug nach Irkutsk brauche ich, Brüderchen«, sagte Semjonow, setzte sich dem verblüfften Beamten gegenüber und legte vier Hundertrubelscheine auf den Tisch. »Was übrigbleibt, ist für deine Matka, Freundchen. Sicherlich braucht sie ein neues Kleid, nicht wahr? Und ein Paar gute Schuhe für den kommenden Winter … Man soll so etwas nicht abschlagen.«
    »Geh hinaus, Genosse!« sagte der schläfrige Beamte. »Ich bin ein guter Kommunist!«
    »Wie ich, Brüderchen! Hast du Kinder?«
    »Sechs.«
    »Du glücklicher Mensch und Vater! Hier, nimm noch fünfzig Rubelchen dazu, für die lieben Kinderchen …«
    Als Semjonow zur Bank zurückkam, auf der Ludmilla tief schlief, hatte er zwei Flugscheine für Irkutsk in der Tasche. Vor den Schaltern hatte sich die Schlange der Wartenden verlängert. Ein großes Geschrei würde es geben, wenn am Morgen jemand sagen würde: »Genossen, es ist alles ausgebucht. Erst morgen wieder …«
    Semjonow setzte sich zu Ludmilla, nahm ihren Kopf in seinen Schoß und wartete die Morgendämmerung ab. So verging die lange Nacht. Semjonow wachte. Über Ludmilla, deren Kopf warm in seinem Schoß ruhte. Über Nadja, die in ihrer ledernen, mit Fellstreifen verzierten Tragtasche lag und mit geballten Fäustchen schlief. Über sein Gepäck, das wenige, was ihm aus dem Paradies geblieben war: drei Säcke, zwei Lederbeutel, eine große Tasche.
    Mit dem ersten Flugzeug verließen sie Jakutsk im Morgengrauen, stießen durch die Wolken in den sonnigen, blanken Himmel und hatten auf einmal das Gefühl, frei zu sein wie ein Vogel, der vom betauten Gras jubelnd der Sonne entgegensteigt.
    Um die gleiche Zeit traf Generalmajor Karpuschin mit einem Militärhubschrauber in Nowo Bulinskij ein. Er landete auf dem Kirchplatz, mitten im Ort.
    Es war der alte Karpuschin, wie man ihn kannte. Die Generalsuniform trug er wieder, sein gefärbter schwarzer Bart war abrasiert, auf der Nase wippte wieder der berühmte Kneifer. Nach ihm sprang Marfa aus der surrenden Riesenlibelle, auch ein wenig militärisch, mit hohen Juchtenstiefelchen und einem engen, knappen Mäntelchen.
    Der Kurierbrief aus dem Lager hatte Karpuschin erst in der Nacht erreicht. Zwei Tage war er mit seinem Täubchen unterwegs gewesen. Eine Flußfahrt auf der Lena bis zur Mündung des Aldan hatten sie gemacht. Als er den Brief gelesen hatte, tobte er, aber dann geschah doch alles in einer einzigen Stunde: die Rückverwandlung in den alten Karpuschin, die Alarmierung der Truppen in Shigansk, die Bereitstellung des Hubschraubers, das Herbeizaubern einer Generalsuniform.
    Nun war er hier, auf dem Kirchplatz von Nowo Bulinskij.
    Sein erster Weg führte ihn ins Krankenhaus, wo er von Borja schon erwartet wurde und von der Kirstaskaja, die den Tisch gedeckt hatte wie zu einem Fest. Der Geruch chinesischen Tees schlug Karpuschin entgegen, als er ohne anzuklopfen in ihr Zimmer trat.
    »Da bin ich wieder – früher als gedacht, nicht wahr?« sagte er dröhnend. Seine goldenen Eichenblätter glänzten in der Morgensonne.
    »Willkommen, Genosse Generalmajor. Ihr Tee wartet schon.« Katharina Kirstaskaja zeigte auf den Tisch. Sogar Honigkuchen, wie versprochen, hatte sie gebacken.
    »Wo ist Semjonow?« fragte Karpuschin laut.
    »Ich weiß es nicht.«
    Karpuschin lächelte böse. Er setzte sich und hielt seine Teetasse hoch.
    »Wir werden genug Zeit haben, uns darüber zu unterhalten, Katharina Iwanowna«, sagte er in seinem gefährlich-gemütlichen Ton. »Ich werde nicht eher wieder gehen, bis ich Semjonow vor mir habe … und Sie, Töchterchen, werden mir den Weg zu ihm zeigen! Lächeln Sie nicht … Sie werden einsehen lernen, daß ich stärker bin als Sie …«

DRITTES BUCH

21
    Die Sonne stieg auf.
    Blaßblau wurde der Himmel, und die

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