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Liebesnächte in der Taiga

Liebesnächte in der Taiga

Titel: Liebesnächte in der Taiga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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und half Semjonow, seine Lasten bis zu einer gemauerten Ablage zu tragen. Dort gab ihm Semjonow eine Zigarette und winkte hinter seinem Rücken Ludmilla, sich fernzuhalten. Sie nickte, wandte sich ab und setzte sich neben den gläsernen Eingang des Intouristbüros auf eine Bank.
    »Nach Taschkent, Bürger«, sagte der Jakute. Er war ein weitgereister Mann und gehörte der intellektuellen Klasse an. »Willst du mit dem Zug fahren oder fliegen?«
    »Was ist besser?« fragte Semjonow.
    »Billiger ist's mit dem Zug. Aber eine Schinderei ist's auch. Nach Nowosibirsk mußt du, von dort nach Ust-Kamenogorsk und von dort geht die Gurksib-Linie der Staatsbahn über Alma-Ata nach Taschkent. Wenn du ankommst, hast du einen wunden Hintern, geschwollene Füße, einen Backenzahn weniger, denn die Genossen Zugbeamten sind rauhe Kerle, die keine Beschwerden entgegennehmen, nicht von uns, Freundchen, wohl aber von den ausländischen Intouristreisenden, und weil sie denen nichts sagen können, lassen sie es an uns aus! So ist's, Brüderchen. Fliegen ist besser, aber teurer. Du kannst in zwei Etappen fliegen. Nach Alma-Ata und von dort nach Taschkent.« Der Jakute trat mit dem Fuß gegen die Säcke neben Semjonow. »Aber nicht damit, Genosse. Damit läßt dich kein Beamter in ein Flugzeug. Wie war's möglich, daß du überhaupt bis hierher geflogen bist?«
    »Man hat seine Verbindungen, Brüderchen«, sagte Semjonow und grinste. Der Jakute verstand. Er klopfte Semjonow auf die Schulter und küßte ihn auf beide Wangen.
    »Unser Sibirien, was, Genosse!« rief er glücklich. »Was wäre Rußland ohne uns? Ein Weibchen ohne Unterleib! Kann man mit einem solchen Weibchen leben? Ich sage nein! Nimm einen guten Rat an … wenn du's bezahlen kannst … flieg nach Taschkent.«
    Nach einer Viertelstunde trennten sie sich wie Brüder, umarmten sich und wünschten sich alles Glück auf dieser Welt.
    Es war klar, daß sie sich nie mehr begegnen würden. Aber so ist man in Sibirien. Die Härte des Landes ist wie Amboßfeuer, das die Menschen zusammenschweißt.
    »Wir fliegen nach Alma-Ata«, sagte Semjonow, als er sich neben Ludmilla auf die Bank setzte. »Wir müssen dieses Geld noch opfern. Von Alma-Ata geht eine gute Zugstrecke entlang der chinesischen und afghanischen Grenze nach Taschkent und Samarkand. Es bleibt uns noch genug Geld zum Leben, mein Täubchen.«
    Ludmilla nickte. Sie gab der kleinen Nadja zu essen. Ein Stück Brot mit selbstgemachter Himbeermarmelade. Himbeeren, die sie im Gestrüpp gesucht hatte, wo sie wild wuchsen, klein, hellrot und duftend von Aroma.
    »Aber das Gepäck müssen wir verringern«, fuhr Semjonow fort. »Die Fluggesellschaft nimmt uns so nicht mit, und außerdem fallen wir auf. Nur eine Tasche sollte jeder haben, das genügt.«
    Ludmilla schüttelte den Kopf. »Wir haben nur das Nötigste mit, Pawluscha.«
    »Was hatten wir mit, als wir aus Kusmowka flohen?«
    »Jetzt haben wir ein Kind.«
    »Aber die Flucht ist die gleiche. Nur komfortabler. Vor uns liegen die Grenzgebirge nach Persien. Wir werden froh sein, wenn wir das Leben hinüberretten.« Semjonow legte den Arm um Ludmillas Schulter. »Wir haben nur Atem geschöpft, Ludmilluschka.«
    Ludmilla lächelte. Traurig war sie, man sah es an ihren Augen. »Laß uns alles wegwerfen, Pawluscha«, sagte sie leise. »Recht hast du ja … wenn wir nur endlich Ruhe finden.«
    In einer Ecke der großen Flughalle sortierten sie ihr Gepäck. Alles, was nicht unbedingt zum Leben nötig war, stopften sie in die Säcke zurück. Die Kleider und die Wäsche, sogar die Pelze, aus Fellen, die Semjonow selbst geschossen hatte, ließen sie zurück. Nur zwei Taschen blieben übrig und für jeden eine Decke. Das Wichtigste aber war unter den Kleidern, die sie trugen, an einem Riemen um den nackten Leib geschnallt: die Nagan und vier volle Magazine. Zehn weitere Magazine hatten sie, in Unterwäsche gerollt, in den Taschen liegen.
    »Wohin mit den Säcken?« fragte Ludmilla, als sie alles umgepackt hatten. »Sollen wir sie einfach stehenlassen?«
    »Nein. Das könnte uns verraten. Ich werde sie verschenken.«
    Semjonow schnallte sich die Säcke wieder über die Schulter und verließ das Flughafengebäude. Vor dem weiten Platz, auf dem Autodroschken warteten und Omnibusse in ununterbrochener Folge ankamen und abfuhren, saß im Schatten einer hohen Fichte ein älterer Mann und schlief. Er hatte sich an den Stamm gelehnt, den Kopf zurück, und schnarchte mit offenem Mund. Der Baum gab

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