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Liebesnächte in der Taiga

Liebesnächte in der Taiga

Titel: Liebesnächte in der Taiga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Stunde schon ging es weiter. Nach Samarkand.
    Als sie Taschkent verließen, kamen sie in eine Steppe, die bald in eine Art Wüste überging. Sanddünen wechselten ab mit fruchtbaren, wasserhaltigen Bodensenken, und dann war einen Tag lang nichts neben ihnen als flache, flimmernde, sanddurchsetzte Steppe mit schütteren Saxaul-Büschen, über die der Staub wehte und an denen man meinte die Hitze der Sonnenstrahlen kleben zu sehen wie Honigfäden.
    In dieser Steppe geschah es dann, und Semjonow erkannte, daß die Macht Moskaus, 3. 500 Kilometer von hier entfernt, am freien Geist Asiens scheitert. Schon in Taschkent war ihm aufgefallen, daß drei Waggons zwischen die Güterwagen gekoppelt wurden. Waggons mit Soldaten, die Maschinengewehre mit sich schleppten und sogar einen Granatwerfer.
    »Warte ab, Brüderchen«, sagte ein Usbeke, als ihn Semjonow nach den Soldaten fragte. »Noch sind wir nicht in Samarkand.«
    Die Hitze hatte müde gemacht, man lag in den Wagen, nahe der Tür, und schlief wie satte Füchse, als aus einer Senke der heißen Steppe eine Schar Reiter brach. Auf kleinen, struppigen Pferdchen jagten sie auf den Zug zu, Staubwolken hüllten sie ein, und plötzlich war ein Geschrei in der glühenden Stille, ein Kreischen und Heulen. Die Reiter, über den Hals ihrer galoppierenden Gäulchen geduckt, schossen auf den Zug und die Wagen und die brüllenden Menschen an den offenen Türen. Aus den Soldatenwagen schoß man zurück, die Maschinengewehre knatterten, ein paar Pferdchen sprangen hoch in die Luft, überkugelten sich und stürzten, aber die Reiterschar jagte schreiend neben dem Zug her, und so nahe kamen sie, daß man ihre Gesichter sehen konnte und das Keuchen der Pferde zu hören war.
    »Das ist der dritte Überfall der Räuber auf einen Zug!« schrie ein usbekischer Bauer und kroch von der Tür weg. »Wie gut, daß wir Soldaten haben. Gebt es ihnen, Brüderchen, gebt es diesen Teufeln! Zwei Banden haben sie schon gefangen. Geköpft hat man sie, Brüder, einfach geköpft auf dem Marktplatz von Kanibadam. Das ist gerecht! Man sollte sie vierteilen, die Teufel!«
    Der Zug schien aus den Schienen zu springen. Pfeifend raste er durch die Steppe, aber wie die Geier jagten die Räuber neben ihm her; und nun warfen sie Flaschen mit Benzin, die an den Holzwänden der Waggons zerschellten. Das Benzin floß zu den heißen Rädern und Achsen und dort begann es zu brennen.
    Ludmilla und Semjonow hatten sich vor Nadja gelegt und eng an den Boden gepreßt. Aber als Semjonow sah, wie Ludmilla unter ihre Bluse tastete und die Nagan herausholen wollte, gerade als ein gelbes, grinsendes Gesicht über einem schwarzen wiehernden Pferdchen an ihrer Tür erschien, hielt er ihre Hand fest.
    »Nicht!« schrie er ihr ins Ohr, denn der Lärm war unbeschreiblich. »Sie dürfen nicht wissen, daß wir Waffen haben.«
    »Sie werden uns umbringen, Pawluscha!« schrie Ludmilla und kroch zu Nadja, die unter den Decken weinte, denn sie erstickte fast. »Sie werden den Zug zum Stehen bringen und uns abschlachten!«
    Nun wurde geschossen wie in einer offenen Feldschlacht. Zwei Wagen am Ende des langen Zuges brannten, und bis zu Semjonow hörte man die gellenden Schreie der Menschen in diesen Waggons.
    Noch ein paarmal pfiff die Lokomotive grell. Dann kreischten die Bremsen, und der Zug hielt mitten in der glühenden Steppe. Semjonow und Ludmilla sprangen auf. Beide hatten ihre Nagan in der Hand; und die verängstigten, in einer Ecke zusammengedrängten, wimmernden Bäuerlein starrten entgeistert auf den Mann, den sie zu Beginn der Fahrt ausgestoßen hatten aus ihrer großen Familie.
    An der Tür erschien ein Pferdekopf. Um das Maul flockte der Schaum. Semjonow schoß, und der grelle Schrei des Pferdes übertönte alles.
    Ein Kopf. Rund, mit hängendem dünnem Schnurrbart und listigen, glitzernden Augen.
    Ludmilla schoß, und auf der Stirn des grinsenden Kopfes sprang ein Loch auf, eine Quelle, aus der in weitem Strahl das Blut strömte.
    »Gut so, gut so!« schrie jemand im Wagen.
    Semjonow wartete auf den nächsten Kopf, aber keiner schob sich mehr vor die Tür. Da trat er vor und sah hinaus. Die Soldaten waren ausgeschwärmt und lagen in Schützenkette im Steppengras. Aus den brennenden Wagen holte man die Menschen, ihre Kleider qualmten, und eine Frau lief wie wahnsinnig umher. Die Reiterschar der Räuber galoppierte davon, nur eine Staubwolke hinter ihnen war ihr letzter Gruß. Sie hatten nichts gewußt von den in Taschkent

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