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Liebesnächte in der Taiga

Liebesnächte in der Taiga

Titel: Liebesnächte in der Taiga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Zettel mit der Meldung und verbrannte ihn in einem Aschenbecher. Jefimow brauchte keinen Steckbrief. Wenn er die Augen schloß, sah er Ludmilla vor sich, wie sie immer in seinem Gedächtnis geblieben war … die schwarzen Haare, der zierliche, wohlgeformte Körper, die langen, schlanken Beine, von denen er einmal sagte: »Genossin Barakowa, ich könnte Ihre Stiefelchen vor Eifersucht ermorden. Sie dürfen umfassen, was nur mein Blick streicheln darf.« Ihr Lachen klang noch jetzt in seinen Ohren. Silberne Glocken waren es, die man sanft aneinanderschlägt.
    In dieser Nacht bemühte sich Jefimow vergeblich um Schlaf. Auf dem Bett lag er, in voller Uniform, die Nagan an der Seite geladen und gesichert, und jede Stunde sprang er auf, weil er glaubte, draußen etwas klappern zu hören, stürzte ans Fenster und sah hinaus in die helle Mondnacht. Hinüber zur Brücke über den Tedschen, hinauf zum Schlagbaum und den Bergen.
    Das Land schlief. Weit entfernt, vielleicht schon auf persischer Seite, heulten Schakale. Die Steine träumten im Mondlicht. Kalt war's … er sah es an dem Gefreiten Iljitsch Wladimirowitsch, der neben dem Schlagbaum in einem engen Häuschen hockte, einen Pelz um sich geschlagen, eine Flasche guten Weizenschnaps aus Samarkand getrunken hatte und nun schlief. Eine hohe Strafe stand darauf, aber Jefimow übersah es. Wer kommt schon in der Nacht nach Kisyl-Polwan? Ein Fuchs vielleicht oder eine Ratte vom Tedschen. Sie brauchten keine Pässe.
    Gegen Morgen schlief auch Jefimow ein. Er löschte das Licht und rollte sich auf die Seite. Am Schlagbaum saß, zum drittenmal als Ablösung, der Gefreite Iljitsch Wladimirowitsch und fror erbärmlich. Er sah hinüber zu den iranischen Bergen des Kara und dachte darüber nach, daß es dort bald schneien würde. Schließlich war es Mitte September. Wie die Zeit rast, selbst in Kisyl-Polwan!
    »Jetzt«, flüsterte Semjonow und drückte Ludmilla die kalte Hand. In einer Senke neben der Brücke lagen sie, dicht an den Boden gedrückt, ein paar Flußsteine vor sich als Schutz. Über die Brücke waren sie gerannt, auf bloßen Füßen, die Schuhe an den Schnürbändern um den Hals gehängt. Zwischen ihnen in der ledernen Tasche schaukelte die kleine, schlafende Nadja. Betäubt hatten sie sie, mit starkem, süßem Wein, den sie auf dem Bahnhof von Bajram-Ali gekauft hatten. Nun schlief sie fest, und der Schlaf mußte anhalten, bis sie die iranische Grenze erreicht hatten.
    Von Samarkand bis Kisyl-Polwan war es schnell gegangen. Mit der Transkaspischen Bahn hatten sie Bajram-Ali erreicht, in der Stunde, in der von Samarkand aus die Telegrafen des Militärbefehlshabers tickten und der Name Semjonow in Usbekistan bekannt wurde. Dann hatte sie ein Lastwagen der Karakulschafzucht-Sowchose Merwska mitgenommen, bis zur Kreuzung zweier Straßen. Der Lastwagen fuhr weiter zu den Weideplätzen der Schafe, und der Fahrer sagte:
    »Der nächste Weg geht dort entlang, Genossen, über den Fluß und zu den Bergen. An die Zollstation werdet ihr in zwei Stunden kommen. Fünf Häuser nur, aber der Kommandant ist ein Hundesohn! Ich rate euch, badet vorher … das ist wichtiger als ein guter Paß!«
    Er lachte, als er Semjonows und Ludmillas ungläubige Gesichter sah, gab Gas, ließ den Motor heulen, fuhr weiter und umhüllte Semjonow mit einer Wolke gelben Staubes.
    Nun lagen sie am Flußufer, schon diesseits der hölzernen Brücke, beobachteten den Gefreiten Iljitsch Wladimirowitsch, der wieder soff – denn es war ja kalt, Freunde, verzeiht es ihm –, und sahen, wie das Licht im größten der fünf Häuser ausging.
    »Nun schläft der Kommandant auch«, flüsterte Semjonow. »Ich werde den Posten mit der Nagan niederschlagen. In eineinhalb Stunden wird er erst abgelöst, ich habe auf die Uhr gesehen. Dieser Vorsprung muß reichen, die Grenze in den Bergen zu erklettern.«
    »Klettern?« flüsterte Ludmilla. Sie hatte die Tasche mit der kleinen Nadja an sich gedrückt.
    »Über die Straße geht es nicht! Wir müssen seitlich ins Gebirge. Nur drei Werst sind es.«
    »Drei Werst unbekannte Felsen und Schluchten, Pawluscha.«
    Semjonow schwieg. Tausende von Werst lagen hinter ihnen. Einen Erdteil hatten sie auf der Flucht durchquert. Urwälder und Urströme, Steppen und Wüsten … Sollten drei Werst Felsen sie nun aufhalten? Die Kuppen der Berge im Mondlicht … das war schon Persien. War die endgültige Freiheit. Umkehren im Angesicht des Paradieses? Weiter nach Westen ziehen, zum Kaspischen

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