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Liebesnächte in der Taiga

Liebesnächte in der Taiga

Titel: Liebesnächte in der Taiga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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sagte er leise, aber im Raum lagen seine Worte wie Donnerschläge, denn es war vollkommen still. »Mord wäre es, Sir. Geflüchtet sind wir vor dem Tod … und Sie schicken uns zurück in die Hölle …«
    Oberst Aref erhob sich abrupt. Wieder ging er hinaus in den Nebenraum, wo der Funker noch am Telefon saß, den Hörer in der Hand. Der Oberkommandierende in Mesched wartete noch, für ihn schien der einsame Mann in den Bergen wichtiger zu sein, als Oberst Aref annahm.
    »Herr General«, sagte Aref, »die Situation verwirrt sich. Wenn dieser Mann, der sich Semjonow nennt, wirklich ein Agent des CIA ist, könnte es unangenehm werden. Ich wage nicht, in dieser Sache Entscheidungen allein zu treffen, vor allem wegen der Frau und des Kindes …«
    Semjonow stand noch immer mitten im Zimmer, ein zerlumpter, staubiger, müder Mensch, als Aref zurückkam.
    »Sie werden meine Frau holen«, sagte Semjonow leise. »Ich habe es ihr versprochen …«
    »In einer halben Stunde wird ein Hubschrauber hier sein und Sie nach Mesched zu General Saheli bringen. General Saheli wird sofort Teheran benachrichtigen und Weisungen einholen.«
    »Ich will nicht nach Mesched!« schrie Semjonow. Er stürzte an den Tisch und schlug mit beiden Fäusten auf die Platte. O ja, so viel Kraft hatte er noch, der Jäger aus der Taiga, daß die Holzplatte donnerte wie eine Pauke. »Ich muß meine Frau und mein Kind aus der Schlucht holen! Oberst, im Namen der Menschenrechte, die auch Ihr Staat in der UNO vertritt, verlange ich, daß meine Frau und mein Kind gerettet werden!«
    »Wir können keinen Krieg wegen zwei Menschen machen!« brüllte Oberst Aref zurück.
    »Niemand sieht es! Die Schlucht ist menschenleer. Tausend Meter sind es … zwei Männer nur mit einer Trage … Mein Gott! Mein Gott! Ist denn ein Menschenleben gar nichts mehr wert?«
    Oberst Aref wandte sich ab und trat an das Fenster. Von hier konnte er hinaussehen zu den Bergen. Bald zog der Morgen wieder als fahler Streifen über die Felsen, und es war, als schwebten die Berge frei im Raum. Vielleicht gab es Nebel, wenn die Sonne schien; es war eine nasse Nacht, und die Erde atmete die Feuchtigkeit aus, sobald die Wärme aus dem Himmel fiel.
    »Sie können allein zurückgehen, Semjonow«, sagte Aref und vermied es dabei, Semjonow anzusehen. »Wir geben ihnen einen Tragegurt mit. Genau auf der Grenzlinie warten wir … Wenn Sie uns Ihre Frau und das Kind bringen, nehmen wir sie selbstverständlich an …«
    Semjonow nickte. Das Atmen war ihm schwer. Wenn es nicht Karpuschin gäbe, dachte er, kehrte ich zurück nach Nowo Bulinskij. Wie frei ist die Lena, wie herrlich weit die Taiga, wie ohne Panzer von Paragraphen das Leben in der kleinen Hütte an der Muna! Die Pferdchen traben durch den Wald, Wildenten flattern über den Sumpf, und da ist ein Bär, den man schießt, oder ein Fuchs schnürt durch das Unterholz. Und im Winter heulen die Wölfe, daß es einem Angst wird ums Herz. Und doch werden sie uns fehlen … jetzt, in der Freiheit … Oft werde ich wach liegen und nach draußen lauschen …
    »Es ist gut«, sagte Semjonow mit heiserer Stimme. »Ich werde sie selbst herüberholen, meine Ludmilla und meine Nadja.«
    Auf russisch sagte er es, aber Aref verstand ihn gut, auch wenn er die Worte nicht kannte.
    Mit den Jeeps fuhren sie wieder zum Eingang der Schlucht. Semjonow schnallte sich die Tragriemen um und lief dann durch den dämmernden Morgen hinunter in die grüne verfilzte Unterwelt.
    Ludmilla und Nadja schliefen noch, als er sie erreichte. Unter den Decken lagen sie, und ihre Gesichter waren kalt und blaß.
    »Ludmilluschka!« rief Semjonow und fiel neben ihnen auf die Knie. »Hier bin ich! Ich hole euch!« Und er herzte und küßte Ludmilla. Unter seinen Küssen wachte sie auf, schlang die Arme um seinen Nacken und war glücklich.
    »Pawluscha«, flüsterte sie und spürte, daß Semjonow die Tränen aus den Augen rannen. Da wischte sie sie ihm mit ihrer Hand vom Gesicht und streichelte ihm über das stoppelige Haar. »Es ist so schön, daß du wieder da bist. Wollen wir wirklich hinüber nach Persien? Laß uns hierbleiben, Liebster … Irgendwo werden wir leben können … Rußland ist so weit, so schön, so reich an Paradiesen …«
    »Aber es hat auch einen Karpuschin!« Semjonow setzte sich auf die Erde und sah sein Kind an. Nadja schlief fest, und sie würde später, wenn sie denken lernte, nie begreifen, was sie im ersten Jahr ihres Lebens an Schicksal schon ertragen

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