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Liebesnächte in der Taiga

Liebesnächte in der Taiga

Titel: Liebesnächte in der Taiga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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das aussah wie alle Kommandantenzimmer auf dieser Welt … ein paar Stühle, ein großer Tisch, eine Karte an der Wand, ein Schrank mit Rolltüren. Und ein Teppich lag auf dem Bretterboden, ein schöner roter, dicker Teppich. Semjonow freute sich darüber. Ich bin wirklich in Persien, dachte er. Nur in Persien kann man es sich leisten, einen solchen Teppich in eine Baracke zu legen.
    Oberst Aref, der Abschnittskommandant, war ein eleganter Mann. Die Frauen liebten ihn, und oft stand er vor dem Spiegel und bewunderte sich selbst. Schwarze Locken hatte er, einen stechenden Blick, eine kühne Nase, und wäre er ein Kosak gewesen, bei der Heiligen Mutter von Kasan, er wäre Ataman geworden, so wild und herrlich reiten konnte er. Nun trat er ins Zimmer, eine lederne Reitgerte nach englischer Offiziersart unter der linken Achsel, und musterte stumm den Mann, der mitten auf dem schönen roten Teppich stand.
    Ein Dreckskerl ist er, dachte Oberst Aref und atmete etwas vorsichtiger, denn was da wie ein Mensch aussehend vor ihm stand, stank nach Gras und Moos, und Staub bedeckte die blonden, stoppeligen Haare. Ein Individuum ist es, und wer weiß, was er mit sich herumschleppt und warum er über die Grenze geschlichen ist!
    Aref setzte sich, legte die Gerte quer vor sich auf den Tisch und strich sich über die glänzenden schwarzen Locken.
    »Wer sind Sie?« fragte er. Auch er sprach ein jämmerliches Russisch. Semjonow verbeugte sich leicht.
    »Sprechen Sie Englisch, Sir?« fragte er.
    Oberst Aref sah verblüfft um sich. An den Wänden und neben der Tür standen seine Offiziere, und es schien wirklich so, als sei Semjonow an der friedlichsten Stelle aus Rußland geflüchtet und sein Erscheinen würde bestaunt wie ein Kalb mit drei Köpfen.
    »Ja.« Aref zeigte auf einen Stuhl, und Semjonow setzte sich. »Wieso sprechen Sie Englisch? Wer sind Sie?«
    Oberst Aref räusperte sich. An seiner versilberten, breiten Koppelschnalle zog er, und in ihm kam das Gefühl hoch, hier etwas Unangenehmem entgegenzugehen. Ein verdreckter Kerl, der Englisch spricht wie ein Gentleman … man kann schon mißtrauisch werden, nicht wahr?
    »Wo kommen Sie her?« fragte Aref weiter. »Heimlich haben Sie den Iran betreten! Sind Sie ein politischer Flüchtling?«
    »Viele Fragen sind das, Sir.« Semjonow lehnte sich zurück. O diese Müdigkeit! Diese Schwäche in allen Gliedern. Zwei Jahre fast war man durch Eis und Wälder geflüchtet, aber die letzten hundert Meter zerbrachen den Körper völlig. Wie bei einem Gäulchen war's, das tagelang gelaufen war, den Kopf vorgestreckt und den Stall witternd … und nun war es da, roch die Krippe, fühlte das warme Stroh, hörte das Zwitschern der Schwalben, und es fiel hin wie tot und streckte sich aus und ergab sich ganz dem lähmenden Glück, zu Hause zu sein.
    Semjonow hob den Kopf. Er sah den Blick Arefs, abschätzend, kühl, ein wenig abwehrend, und er fühlte die Blicke der Offiziere in seinem Nacken wie vor Minuten noch die Läufe der Gewehre. Und plötzlich wußte Semjonow, daß die Flucht noch nicht zu Ende war und daß die Freiheit Ordnung heißt und er, der schmutzige, stinkende Flüchtling, diese Ordnung verletzt hatte.
    »Ich heiße Pawel Konstantinowitsch Semjonow«, sagte er auf englisch. »Aber in Wirklichkeit bin ich Franz Heller, ein Deutscher. Vor allem aber war ich amerikanischer CIA-Mann und Spion in Sibirien …«
    Oberst Aref nickte. Die Offiziere an den Wänden schwiegen. Man sollte lachen, dachten sie wie Aref. Da kommt eine staubige Ratte über die Grenze und bildet sich ein, ein weißes Kamel zu sein. Wozu der Aufwand?
    Aref verließ das Zimmer und ging in einen Nebenraum. Dort war die Funkerstelle. Eine Ordonnanz saß bereits am Telefon und hatte das Auftauchen eines Russen nach Mesched gemeldet. Der General selbst ließ sich berichten, denn wichtig war's, alles zu vermeiden, was den großen, mächtigen Nachbarn im Osten störte.
    »Herr General«, sagte Oberst Aref, und er war der Überzeugung, nichts Falsches zu sagen. An seiner Stimme hörte man: Es ist nicht nötig, deswegen eine Nacht schlaflos zu verbringen. »Hier ist ein Verrückter! Er will ein Russe sein, spricht ein perfektes Englisch, nennt sich einen Deutschen und war amerikanischer Spion in Sibirien. Ein vollkommen Verrückter, Herr General! Über die Grenze kam er und machte auf sich aufmerksam, indem er mit einer sowjetischen Nagan in die Luft schoß, bis wir ihn fanden.«
    Oberst Aref holte Luft. Peinlich war es ihm,

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