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Liebesnächte in der Taiga

Liebesnächte in der Taiga

Titel: Liebesnächte in der Taiga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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ganz Wiwi wußte, daß es völlig unberührt war, erwies sich mit jedem Jahr schwieriger und schließlich als ganz unmöglich. Und so griff Genosse Gapka, der Stadtsowjet, schweren Herzens auf seine Kusine zurück, auf Marja Nikonora.
    Das also war das Duell zwischen Väterchen Alexeij und Genosse Gapka. Jolka gegen Christus, und während der eine predigte und der andere Leninsprüche donnerte, zählte jeder seine Schäfchen und hoffte auf den Sieg.
    Nach Gottesdienst und Staatsfeier kamen sie im Hinterzimmer der Kirche zusammen, jeder mit einem Blatt Papier in der Hand.
    »Wieviel?« bellte Genosse Gapka und verhinderte, daß Pope Alexeij auf die Zahl gucken konnte.
    »Genau zweihundertneunundvierzig!« sagte Alexeij zufrieden. »Und du?«
    »Genau zweihundertvierzig!« schrie Gapka.
    »Neun mehr! Sieger!« Väterchen Alexeij hob den Blick zur Decke. »Herr, dein ist der Tag!«
    Wütend verließ Gapka die Kirche. Wie in jedem Jahr. Nun schon das vierzehntemal.
    Es ist eben so, daß die Revolution in der Taiga etwas länger braucht. Man kann einen Ackerboden eher umpflügen als tausendjährige Stämme ausreißen.
    Der Frühling kam eher, als man geglaubt hatte. Über Nacht brach das Eis auf der Unteren Tunguska. Vom Fluß Wiwi und der Taimura schoben sich Eismassen heran, aufeinandergetürmte Schollenberge, die krachend die Uferböschungen aufrissen und das staatliche Holzlager am Ufer der Tunguska bedrohten. Pioniere aus Tura rückten heran, sprengten die Eisberge und hielten die Tunguska vor Wiwi packeisfrei.
    Man sieht – es wurde wirklich Frühling!
    Mitte April nahm der Fährmann seine Überfahrten wieder auf und steuerte sein breites, flaches Boot mit den beiden alten Ottomotoren über die Tunguska.
    Unter den ersten, die übersetzten, waren auch der Schuster Tschigirin und Semjonow. Ludmilla war zu Hause und kochte, die Männer aber wollten zu einem Häutelager jenseits des Flusses, um für den Sommer neues Leder einzukaufen.
    Es war eine fröhliche Gesellschaft, die an diesem Tag zum erstenmal übersetzte. Die Motoren tuckerten und stotterten, das Boot legte vom Ufer in Wiwi ab, man winkte und lachte, sang und tanzte, Pjotr Mihailowitsch Njeweroff, der Fährmann, stand am Ruder, soff aus einer runden Flasche Schnaps und schrie ein ums anderemal: »Wir fahren, Brüderchen! Wir fahren! Hurra! Hurra!«
    Man darf nicht denken, die Flüsse und Ströme in der Taiga seien Bäche, wie man sie sonst kennt. Riesig, wie alles in diesem Land, sind auch die Wasserwege. Dreimal so breit wie der Rhein bei Wesel, mindestens, ist etwa die Untere Tunguska bei Wiwi. Und wenn auf solch einem breiten Fluß eine starke Strömung ist wie jetzt bei der Schneeschmelze und die Eisschollen wegtreiben zum großen Bruder Jenissej, dann ist der Beruf eines Fährmanns eine harte Arbeit. Trotz Ottomotoren.
    Und so geschah es an diesem Tag, daß hundert Meter vom Ufer entfernt der linke Motor spuckte, knatterte und dann aussetzte. Das flache Boot drehte sich etwas und trieb dann mit der starken Strömung und den Eisschollen flußabwärts.
    Die Weiber kreischten, die Männer brüllten den armen Njeweroff an, etwas zu tun. Aber Pjotr Mihailowitsch, der arme, war bereits so besoffen, daß er mit stieren Augen hinter seinem gewaltigen Steuerrad hockte und ›Stenka Rasin‹ sang. Man trat ihn in den Hintern, man zerrte ihn zu dem defekten Motor, aber er jammerte nur und hob beide Arme gegen den blauen Himmel.
    »Vier Kinderchen habe ich!« schrie er. »Wißt ihr, was das bedeutet, wenn man im Winter am Ufer sitzt und nicht überfahren kann? Kein Rubel ist in der Tasche, keiner weiß, wie lange das Eis auf dem Fluß bleibt … und dann bricht es, man kann wieder fahren … Genossen, gönnt mir die Freude, wieder zu fahren und meine Kinderchen zu ernähren.«
    »Wir ersaufen alle!« sagte Tschigirin zu Semjonow und klammerte sich an der Bordwand fest. Das Boot drehte sich ständig, und es war abzusehen, wann es mit einer Eisscholle zusammenstieß und sank oder umkippte und alle in den eisigen, reißenden Fluten der Tunguska umkamen. »Ich habe mir einen anderen Tod gewünscht!«
    Die Weiber beteten bereits. Die Männer brüllten noch immer, mißhandelten den armen Njeweroff und versuchten, den Motor in Gang zu bringen. Aber was versteht ein Jäger oder Bauer von einem Ottomotor?
    »Dort kommt eine Eisbarriere!« schrie jemand. »Wir treiben auf sie zu! Betet, Brüder … das Ende naht!«
    Semjonow boxte sich durch die Menge der Schreier,

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