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Liebesnächte in der Taiga

Liebesnächte in der Taiga

Titel: Liebesnächte in der Taiga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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auch!«
    »Man kann sich irren, Söhnchen.« Marussja wischte sich die welken Greisenhände an der Schürze ab. »Gesteh es – sie paßten nicht zu uns! Du hast sie weggebracht?«
    »Ja.«
    »Das ist gut! Nun ist wieder Frieden in Nowa Swesda.«
    Sie wackelte zum Herd, rührte in einem Topf und kam damit zum Tisch zurück. Jesseij schnupperte wie ein geiler Hund.
    »Pudding, Mütterchen!« sagte er verklärt. »Heißer Pudding mit Wildkirschensoße …«
    »Für meinen wilden Bären …«
    »Du bist die Beste, Mütterchen!« Jurij nahm ihr den Topf ab. Wie ein großer Junge war er, der seinen ersten Fuchs gefangen hat. Er tauchte den Löffel in den heißen Pudding und aß ihn mit Schmatzen und tiefem, zufriedenem Grunzen.
    »O Gott«, sagte er, als er den halben Topf leergegessen hatte, »und dich hätte ich glatt umgebracht, Mütterchen, wenn ihnen etwas passiert wäre.«
    »Gott war mit ihnen«, antwortete Marussja weise. Sie bekreuzigte sich sogar. Und, beim Teufel, sie meinte es ehrlich.
    Nach zwei Wochen waren Ludmilla und Semjonow so weit, daß Jurij Fjodorowitsch sie nach Wiwi bringen konnte.
    Man muß sich Wiwi nicht als einen schönen Ort vorstellen, mit Steinhäusern, Straßen, einer Omnibuslinie, zehn Straßenkehrern, Musikpavillons und einem Theater. Auch ein Kino gab es nicht und erst recht kein Bordell, woran man sieht, wie trostlos die Leute dort leben. Dafür aber besaß Wiwi ein ›Haus des Volkes‹, in dem der Stadtsowjet residierte, und ein Kaufhaus der staatlichen Konsumgenossenschaft. Genau neun Autos klapperten durch die Straßen, die im Frühjahr bei der Schneeschmelze zu Schlammbächen wurden. Ja, und dann wohnten noch drei wichtige Personen in der Stadt: der Fährmann, der mit einem breiten, flachen Boot und zwei Ottomotoren über die Untere Tunguska setzte, der Pope Alexeij, dem man ein ewiges Leben nachsagte, denn keiner wußte, wie alt er schon war, und Oleg Petrowitsch Tschigirin, der Schuster.
    Freunde, das war ein wichtiger Mann! Schuhe braucht man immer, und jeder braucht sie, denn wer wird schon barfuß oder auf Socken durch die Taiga laufen! Und bei Oleg Petrowitsch Tschigirin bekam man gute Schuhe. Festes Leder, dicke Sohlen, zwiegenäht, mit der Hand über den Leisten gezogen wie in guten alten Zeiten. Das sprach sich herum, und so blühte das Geschäft des Tschigirin. Sogar der Stadtsowjet ließ seine Schuhe bei ihm machen, was der ganzen Sache fast einen amtlichen Anstrich gab.
    Tschigirin war ein Freund Jurij Fjodorowitsch Jesseijs. Er stammte aus Nowa Swesda, war einer der Taigariesen und hatte das Kunststück fertiggebracht, seine Frau Olga – wir kennen die Frauen aus Nowa Swesda – zu überleben. Das nötigt Achtung vor ihm ab, denn es beweist eine urweltliche Gesundheit.
    Oleg Petrowitsch saß hinter seinem Schustertisch und hämmerte Stahlnägel in eine dicke Sohle, als Jesseij eintrat und brüllte: »Brüderchen, hier bin ich wieder! Ich soll dich grüßen von Marussja, dem Urmütterchen!«
    Oleg nickte, hämmerte weiter und kratzte sich dann mit dem Hammerstiel am Kopf, als hinter Jurij noch zwei Personen in das Zimmer kamen. Ein Mann und eine kleine, zierliche Frau.
    »Was soll's?« fragte er und legte den Schuh zur Seite. »Ich bin mit Aufträgen bis zum Frühjahr eingedeckt, Freundchen.«
    »Sie sollen bei dir wohnen.« Jurij legte seine baumdicken Arme um die Schultern von Semjonow und Ludmilla. Oleg staunte mit weit aufgerissenen Augen. Noch nie hatte er Jurij so freundlich gesehen. »Sie zahlen dir im Monat zehn Rubelchen für ein breites Bett, und was sie essen, verdienen sie sich bei dir. Pawel Konstantinowitsch hat gelernt, wie man Felle gerbt, und Ludmilla, unser Täubchen, wird dir den Haushalt führen und dir ein Essen kochen, daß dein Bauch wie ein Ballon wird. Ein Leben wird das sein, Brüderchen, wie im Paradies.«
    »Und wie lange soll das gehen?« fragte Tschigirin, dem nicht nach Paradies, sondern nach Ruhe zumute war.
    »Bis zum Frühjahr. Bis das Eis bricht. Dann müssen sie weiter … wenn sie dir dann nicht unentbehrlich geworden sind, Freundchen. Ich weiß, wie gern du Piroschki ißt und Schtschi, und ein Ferkelchen in Grütze macht sie dir, daß dir die Augen aus dem Kopf quellen! Machen wir es so, Oleg Petrowitsch? Zehn Rubelchen für das Bett, und sonst arbeiten sie bei dir.«
    Tschigirin nickte. »Führ sie unters Dach, du kennst den Weg«, sagte er und nahm den Schuh wieder auf den Schoß. »Sind sie amtlich hier oder

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