Liebesnaehe
hinweggetröstet. Schriftlich
wollte ich das aber nicht tun, ich wollte diesen Trost nicht festschreiben, verstehst Du? Und schließlich kam noch hinzu, dass ich in einem solchen Fall auch über mich hätte schreiben müssen, und das wollte ich nicht, nein, das wollte ich nie. Ich möchte darüber schreiben, was mir andere Menschen erzählen, ich selbst möchte aber eine ganz untergeordnete Rolle spielen.
– Ich bekomme also das Paket mit nach München?
– Ja, ich gebe Dir alle meine Aufzeichnungen über unsere Gespräche, wenn Du mir noch etwas Hilfreiches zu meinen Aufzeichnungen über meine Lektüren mit Georg sagst.
Er lehnt sich mit dem Rücken gegen die Tür der Buchhandlung, er ist jetzt wieder etwas entspannter als noch vor wenigen Minuten. Dann sagt er:
– Ich habe Dir schon gesagt, dass mir diese Aufzeichnungen sehr gefallen. Es sind kleine, hochpoetische Lektüre-Geschichten, die einem generell große Lust auf die Freuden des Lesens machen. Darüber hinaus sind sie aber auch eine fortlaufende starke Liebes-Erzählung. Und genau eine solche Liebes-Erzählung sollte man aus diesen Geschichten komponieren.
– Und wie? Und wie sollte man das machen?
– Man sollte Deine Aufzeichnungen leicht verdichten und kürzen. Jede von ihnen sollte nicht länger sein als zwei bis drei Seiten. Die gekürzten und verknappten Geschichten reiht man dann in einer bestimmten Reihenfolge, über die man sich noch klar werden muss, aneinander, und zwar so, dass sie gleichsam fortlaufend eine einzige Geschichte erzählen.
– Was Du da sagst, hört sich wie ein Menü-Rezept an.
– Was ich da sage, ist ein Menü-Rezept, und zwar ein sehr gutes.
– Das bezweifle ich ja gar nicht, und alles, was Du sagst, leuchtet mir auch ein. Ich finde es fabelhaft, glänzend, ja, das ist ein sehr guter Vorschlag. Das Projekt wird nur daran scheitern, dass ich meine Texte nicht überarbeiten kann, nein, ich kann so etwas nicht, auf gar keinen Fall. Ich weiß nicht, worauf es dabei ankommt, und ich gerate in Panik, wenn ich meine eigenen Texte kürzen, verknappen oder umschreiben soll.
– Du hast mich missverstanden. Ich habe doch gar nicht gesagt, dass Du so etwas tun sollst, ich verstehe Deine Bedenken.
– Und wer sollte dann so etwas tun?
– Das ist doch klar, Katharina. Ich!, ich werde es tun. Ich kann das, ich hätte es doch schon im Fall von Joyce, ja sogar im Fall der Bibel beinahe getan, wie ich gerade eben zu meinem Erstaunen noch einmal gelesen habe.
– Du willst Dir eine solche Arbeit damit machen? Und eine so große Gegengabe soll ich annehmen?
Er richtet sich wieder etwas auf und entfernt sich von der Tür.
– Liebste Katharina. Wenn wir beide uns morgen früh voneinander verabschieden, vertraust Du mir Deine restlichen Aufzeichnungen über Deinen verzweifelten, grollenden, tobenden jungen Begleiter und Freund sowie Deine sämtlichen Aufzeichnungen über Deine Lektüre-Erlebnisse mit Georg an. Bist Du einverstanden?
– Ja, wie sollte ich bei einem solchen Vorschlag nicht einverstanden sein?
– Wenn mir die Kürzungen und Umarbeitungen so gelingen, wie ich mir das vorstelle, werden sie als Buch erscheinen, das ist Dir klar?
– Nein, das ist mir nicht klar. Es soll mir auch gar nicht klar sein, ich möchte jetzt nicht an so etwas denken.
– Gut, dann denken wir vorerst nicht an ein so schönes Ende. Denken wir lieber an das schöne Ende dieses Wochenendes, es ist das schönste, das ich mir vorstellen kann.
Er ist sehr erleichtert, und er sieht Katharina an, dass auch sie jetzt sehr entspannt und ruhig wirkt.
– Komm, sagt sie, ich halte es gerade in diesem kleinen Raum nicht mehr aus. Ich lade Dich zu einem Glas Champagner ein, unten in der Bar! Trinken wir auf die schöne Zukunft!
Er umarmt sie, und er geht mit ihr weiter in enger Umarmung, als sie sich auf den Weg zur Hotelbar machen. Als sie dort ankommen, bestellt sie zwei Glas Champagner. Während sie die Bestellung an der Theke aufgibt, nimmt er in einem Sessel Platz. Er holt kurz sein Handy hervor und schickt Jule eine Nachricht: the writer is present 3: am Abend im Gartenhaus.
37
SIE SCHWIMMT etwas länger als eine halbe Stunde, dann verlässt sie den Pool, trocknet sich mit einem Badetuch ab und legt sich für kurze Zeit auf eine der Liegen, die am Rand des Pools stehen. Noch immer ist das Rumoren der Sport-Übertragung zu hören, ein gedämpftes, an- und abschwellendes Raunen und ein kurzes Aufschreien und Stöhnen, wenn eine Chance
Weitere Kostenlose Bücher