Liebesnaehe
bedanken, dann verlässt sie den Aufzug und biegt nach links ab, während er ihr ganz selbstverständlich folgt, obwohl er gar nicht vorhatte, nach links und damit in die Richtung der Buchhandlung zu gehen. Er geht aber dennoch einige Schritte hinter ihr her, ihr langes schwarzes, sonst vollkommen schmuckloses Kleid gefällt ihm, auch ihr leichtes, fast flottes Gehen mag er sehr, während ihm weiter noch auffällt, dass sie nichts in Händen hält, nicht einmal eine kleine Tasche oder sonst ein Accessoire hat sie dabei, sie geht sehr locker und beinahe beschwingt den Gang entlang, und sie geht wahrhaftig direkt auf die Buchhandlung zu.
Als er das endlich begreift, macht er vorsichtig kehrt, er möchte nicht den Eindruck erwecken, sie zu verfolgen, deshalb geht er die gerade gegangene Strecke langsam wieder zurück. Es ist kurz vor zwölf. Da er nur sehr wenig gefrühstückt hat, hat er jetzt etwas Appetit. Die beiden Hotel-Restaurants im Erdgeschoss, von denen das eine im Außenbereich, das andere aber drinnen, in einem lang gestreckten Hotelflügel, untergebracht ist, haben jedoch noch nicht geöffnet, er sieht aber, dass bereits die Tische eingedeckt und die Kellnerinnen und Kellner mit den letzten Vorbereitungen für die Mahlzeiten beschäftigt sind.
Um die Zeit bis zum Mittagessen zu überbrücken, geht er in die Hotelbar, die Bar ist vollkommen leer, deshalb wird er gleich bedient, als er vor der Theke haltmacht und sich einen Campari bestellt. Er zieht sich in eine Ecke der Bar zurück, dort findet er einen bequemen, breiten Sessel und einen kleinen, runden Tisch, auf dem ihm der Barkeeper den bestellten Campari serviert. Die rote Flüssigkeit zerläuft auf einem breiten Sockel von zerstoßenem Eis so künstlich und dramatisch wie auf einem Popart Gemälde, er starrt auf das Glas und schüttelt den Kopf, dann aber trägt er es zurück zur Theke und erklärt dem Barkeeper, dass er kein Eis im Campari mag, das Glas soll vielmehr beinahe randvoll sein, gut gefüllt, ein kompakter, roter Körper ohne zerstoßenes Eis.
Der Barkeeper nickt kurz und füllt sofort ein anderes Glas mit Campari, es kommt ihm so vor, als hörte der Mann gar nicht mehr auf, Campari in das Glas zu gießen, deshalb macht er eine kurze Geste, dass es nun genug sei,
und geht dann mit dem gut gefüllten Glas wieder zurück an seinen Platz. Er nippt an seinem Getränk, er schaut durch die großen Fenster ins Freie, wo einige orangefarbene Sonnenschirme die vielen weiß gedeckten Tische in ein schwaches Schattenlicht tauchen.
Etwas Unvorhergesehenes, Irritierendes ist mit ihm geschehen, er spürt es genau, und er beginnt zu grübeln, wie er mit diesen unvorhergesehenen Ereignissen und Zeichen umgehen soll.
7
SIE GEHT immer schneller auf die Buchhandlung zu, sie kann es gar nicht erwarten, Katharina endlich wieder zu sehen. Sie steht gerade hinter der Kasse an der kleinen Verkaufstheke, umrundet sie dann aber und ist sehr rasch an der Tür.
Die beiden umarmen sich, und als sie sich wieder voneinander lösen, sagt Katharina:
– Was für ein schönes Kleid!
– Ja, nicht wahr? antwortet sie, eigentlich mag ich ja keine schwarzen Kleider, aber das hier habe ich mir sofort gekauft, in einem Secondhand-Laden. Es hing ganz allein im Fenster, als hätte es irgendwer dort vergessen. Ich bin hineingegangen und habe mich nach der Größe erkundigt, und als es genau meine Größe hatte, habe ich es gekauft.
– Du hast es gekauft, ohne es anzuprobieren?
– Ja, ich habe es einfach sofort gekauft.
– Sehr gut, so ist es richtig. Auf Dinge, die einem gefallen, sollte man sofort zugehen. Kein Zögern, kein Drumherum, einfach sofort kaufen.
– Sehe ich in diesem Kleid nicht zu ernst aus?
– Zu ernst? Ach was, Du siehst doch nicht ernst aus, nein, wirklich nicht. Du bist weder ernst noch sonst was, Du bist interessant, Du erregst Interesse, das ist es. Kaum einer, der Dich zum ersten Mal sieht, wird ahnen, was Du so treibst, womit Du Dich beschäftigst und was Du so magst. Das alles ist ein schönes Geheimnis, und das sollte es auch möglichst lange bleiben.
Sie lacht etwas verlegen und umarmt Katharina ein zweites Mal, als habe sie ihr ein großes Kompliment gemacht. Dann geht sie langsam durch die Buchhandlung und schaut sich um.
– Lass mich einen Moment nach Deinen Lieblingen schauen, sagt sie, danach können wir sofort losziehen. Wollen wir zusammen zu Mittag essen?
– Gern, antwortet Katharina, wir könnten draußen im Freien
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