Liebesnöter
zwar nicht vorgesehen, aber jetzt konnte sie nicht mehr zurück.
Sie spürte Ingers Blick auf sich ruhen.
»Meine Schwester macht die Preise«, sagte Inger in leicht entschuldigendem Ton. »Sie ist der Meinung, ich verschenke alles.«
»Tut sie auch!«, sagte Malin nachdrücklich.
Inger lächelte leicht. »Sind zwandzigtausend Kronen für Sie in Ordnung?«
Und dann setzte Malin noch hinzu:
»Und bekommt meine Freundin die Platte zurück, wenn meine Schwester das Bild für Sie malt?«
Ella nickte. Es war eine Chance, wenn auch eine teure. Aber so viel war es ihr wert.
Der Rückweg in die Stadt erschien Ella um einiges schneller als der Hinweg. Im Stillen hatte sie darauf gehofft, dass Malin ebenfalls zurückfahren würde, dann hätte sie noch die eine oder andere Frage stellen können. Aber Malin schien nicht aufbrechen zu wollen, und Ella wollte nicht fragen. Also erkundigte sie sich nur nach der nächsten Fähre und machte sich alleine auf den Weg. Immerhin hatte sie nun Ingers Telefonnummer in ihrem Geldbeutel. Sie übertrug die Nummer von dem kleinen Notizblatt, das Inger für sie abgerissen hatte, in ihr Smartphone. Dann steckte sie den Zettel in ihren Geldbeutel zurück. Sicher ist sicher.
Roger hatte ihr an der Rezeption eine kleine Nachricht hinterlassen. Er schien sich einen Spaß daraus zu machen. Dann dämmerte Ella, dass sie ja keine andere Übermittlungsmöglichkeit hatten – bisher schliefen sie zwar miteinander, hatten aber noch keine Telefonnummern ausgetauscht.
Er hole sie um acht Uhr in ihrem Zimmer ab, las sie, und er freue sich unbändig darauf. Unter seiner Unterschrift noch ein kleines PS : Sie könne ruhig High Heels anziehen, sie würden keinen Marathon über die Pflastersteine der Altstadt machen, sondern ein Taxi nehmen.
High Heels? Ella ließ die Notiz sinken. Sie hatte überhaupt keine High Heels dabei. Wozu auch? Aber trotzdem war es erstaunlich, dass er sich solche Gedanken machte. Welcher Mann dachte schon über die Gefahren von Pflastersteinen nach?
Ella sah auf die Uhr. Der Nachmittag war wie im Flug vergangen, sie hatte genau noch eine halbe Stunde Zeit.
Was sollte sie anziehen, überlegte sie sich im Fahrstuhl. Wenn Siri an der Rezeption gewesen wäre, hätte sie sie nach dem nächsten Schuhgeschäft gefragt. Andererseits war es besser so. Sie hatte heute schon genug Geld ausgegeben.
Roger trug ein dunkelblaues Kaschmirjackett zur Jeans und dazu ein blassrosa Hemd ohne Krawatte. Er sah gut aus, das musste Ella ihm lassen. Sie hatte auf ihr Notfall-outfit zurückgegriffen, das sie bei jeder Reise dabeihatte: eine schwarze, schmal geschnittene Jacke, weiße Bluse, enge schwarze Hose zu schwarzen Stiefeletten. Das war ihre Uniform für überraschende Einladungen.
Roger musterte sie kurz, dann lächelte er.
»Warum lächelst du?«, wollte Ella wissen.
»Weil mir gefällt, was ich sehe.«
»Danke!« Ob es stimmte oder nicht, ob er einfach nur charmant schwindelte, was interessierte sie das? Es tat gut, das war die Hauptsache.
Das Restaurant war winzig und erschien nur durch eine Spiegelwand geräumiger. Roger hatte einen Platz am Fenster reserviert. Dort saß man wie in einer erhöhten Nische, schaute über den kompletten Raum hinweg und nach draußen über den ganzen Platz. Das Denkmal vor ihrem Fenster kannte sie bereits. An der großen Bronzestatue des Drachentöters war sie schon einmal vorbeigelaufen.
Roger gab sich weltmännisch, bestellte zwei Gläser Champagner zum Aperitif, fachsimpelte mit dem Kellner über den zu dekantierenden Rotwein und ging dann mit Ella die Speisekarte durch. Zum Schluss bat er um eine Platte mit den verschiedenen Spezialitäten des Landes. Das stand zwar nicht auf der Karte, aber der Kellner signalisierte nach Absprache mit dem Koch grünes Licht, und Ella gab es auf, bei all den teuren Vorschlägen und Möglichkeiten abwehren zu wollen. Sie ließ es einfach zu und beschloss, diesen Abend zu genießen. Roger war in seinem Element, das spürte Ella, und sie überlegte, ob es wohl an seiner Nationalität lag, dass ihm auch die Details eines perfekten Dinners so wichtig waren? Jedenfalls überließ er nichts dem Zufall, sondern fragte genau nach, wenn ihm bei den Erklärungen des Kellners etwas unklar war. Zweimal lief der Kellner sogar zurück in die Küche, weil er Rogers Fragen nicht genau genug beantworten konnte.
Für Ella war das neu.
Wenn sie mit Ben essen ging, bestellten sie, und damit war es gut. Woher das Fleisch nun genau
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