Liebesnöter
ihre Lehrer gekannt – trotzdem hatte sie es sich nie abgewöhnen können.
»Denkst du tatsächlich über einen Weg nach?«, wollte sie zögernd wissen.
»Wenn ich zurück in Paris bin und du in Frankfurt, treffen wir uns dann das nächste Mal in Madrid?«
»Madrid? Warum nicht New York?«, sagte sie und dachte, ah, er meint den Fremdgängerweg. Keinen gemeinsamen. »Oder Rom?«
»Madrid wäre ein guter Platz für ein Verbrechen. Ich könnte unser Treffen mit Arbeit verbinden, und du könntest einem weiteren Bild nachspüren. In Madrid gibt es ebenfalls interessante Kunst.«
Nahm er sie auf den Arm? Ella war sich nicht sicher.
»Cheers«, sagte sie und hob ihr Glas. »Auf alle Unwägbarkeiten des Lebens!«
»Auf die Liebe!«
»Das ist auch eine Unwägbarkeit.«
»Das Wort gefällt mir aber nicht.« Er erhob sein Glas. »Die Liebe ist ein Abenteuer, keine Unwägbarkeit.«
»Ein unwägbares Abenteuer!« Sie stieß mit ihm an, und er schüttelte lachend den Kopf.
»Ella, du bist speziell!«
»Roger, du auch!«
Donnerstag
Als Ella am nächsten Tag aufwachte, dehnte und streckte sie sich und freute sich über den geschenkten Tag. Sie würde hier in Stockholm bleiben, sie hatte sich über alles hinweggesetzt, sie würde ihr Ziel noch erreichen. Roger drehte sich nach ihr um. Er saß bereits am Laptop und schrieb. »Ich bin jetzt hinter dein Geheimnis gekommen«, sagte er, während er aufstand und an der eingebauten Teeküche die kleine Espressomaschine bediente. »Kaffee? Einen Morgenkaffee für dich?«
»Mein Geheimnis?«
»Du redest im Schlaf, ma chérie, hat dir das schon mal jemand gesagt?«
Ella schüttelte stumm den Kopf.
»Und du gibst auch Antwort, wenn man dich fragt.«
»Was habe ich denn gesagt?« Ella richtete sich auf.
»Schwer zu beschreiben. Zwei Personen in einem Theaterstück, würde ich sagen.«
»Wirklich?« Ella zog die Beine an.
»Sogar mit unterschiedlichen Stimmen. Eine höhere, eine tiefere.«
Inka hatte die tiefere, dachte Ella.
»Wenn man kein ausgewachsener Mann wäre, könnte es einem direkt unheimlich werden.«
Ella dachte an Ben. Hatte er das je mitgekriegt?
»Und was reden die beiden so?«, fragte sie betont munter. »Über die neue Frühjahrsmode? Geht es ums Shoppen in Paris?«
»Ich konnte leider nicht alles verstehen.«
Die kleine Maschine fauchte und entließ einen Schwall heißen Kaffees in die Tasse darunter. »Die eine möchte etwas tun, die andere möchte es lieber ruhen lassen. Kleiner Streit unter Schwestern, würde ich mal sagen«, er überlegte. »Oder unter Freundinnen.« Er rührte Milch und Zucker in den Kaffee und brachte ihr die Tasse ans Bett.
Freundinnen?, dachte Ella, das könnte auch Steffi gewesen sein. Sicherlich würde Steffi in Ohnmacht fallen, wenn sie wüsste, was sie hier in Stockholm alles trieb.
»Hast du denn eine Schwester?«, wollte er wissen.
Ella schüttelte stumm den Kopf. »Aber eine tyrannische Freundin.« Sie lachte. »Und du? Hast du Geschwister?«
»Einen älteren Bruder. Ziemlich langweiliger Mensch. Ist Vollblutkaufmann.«
»Deswegen muss er ja nicht langweilig sein.«
»Ist er aber. Entsetzlich langweilig. Interessiert sich nur für das Geschäft, für Fußball, seine Stammkneipe und den Grillabend mit Freunden.«
»Hört sich furchtbar langweilig an.«
Sie lachten beide.
»Was machst du heute?«, fragte Roger.
Ella hoffte, dass Maxi das Foto gefunden hatte und es bald auf ihr Handy schicken würde. Damit würde sie postwendend zu Inger gehen.
»Vielleicht schaue ich noch mal nach meinem Bild?«
»Dürfte ich da mit? Ich bin mit meinen Recherchen durch, mehr bekomme ich sowieso nicht raus und werde die Lücken durch Phantasie ersetzen.«
Ella trank einen Schluck. Sie hasste Zucker im Kaffee, aber sicherlich trank er ihn so oder seine Frau. Der Mensch war ein Gewohnheitstier.
Er wollte mit.
Sie wollte das nicht, aber wie konnte sie das verhindern? Wie konnte sie Inger in seinem Beisein das Foto von Moritz zeigen? Damit lag doch die ganze Geschichte auf dem Tisch, das war unmöglich. Damit würde sie seine Lücken womöglich füllen.
»Oder wir schauen uns die Sehenswürdigkeiten von Stockholm an. Die versunkene Wasa hätte ich beispielsweise gern gesehen«, schlug Ella vor und dachte, nein, eigentlich will ich überhaupt nichts anderes, als mich alleine auf den Weg machen. Und in ein Museum will ich schon mal überhaupt nicht.
»Ja, die Wasa ist beeindruckend«, bestätigte er. »Noch beeindruckender
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