Liebesnöter
sagte er. »Was wissen Sie darüber?«
Roger warf Ella einen Blick zu, sie runzelte unwillig die Stirn.
»Ich dachte mir schon, dass es sich um ein und denselben Mann handelt. So viele verschwinden ja wohl nicht spurlos.« Er griff nach Ellas Hand. »Vielleicht macht es Sinn, wenn wir die Fakten zusammenlegen?«
»Ich will keine Fakten zusammenlegen.« Sie winkte dem Kellner. »Ich möchte noch einen Nachtisch und dann ins Bett.«
»Auch keine schlechte Variante«, Filip nickte und schob ihr seine Visitenkarte herüber. »Falls Sie mich aus irgendeinem Grund brauchen sollten, über mein Handy bin ich Tag und Nacht zu erreichen.«
»Die Nacht können wir schon mal ausklammern«, erklärte Roger.
»Und wahrscheinlich auch, dass dieses Treffen hier ein Zufall war«, murmelte Ella und steckte die Visitenkarte ein.
Drei Mails waren eingegangen. Eine von Ben, die Kreditkartenabrechnung und eine von Steffi. Ellas Herzschlag beschleunigte sich. Steffi. Am liebsten hätte sie die Mail gar nicht gelesen.
Roger kniete vor der Minibar.
»Magst du noch was?«, fragte er. »Einen kleinen Gutenachtschluck?«
Ella schüttelte den Kopf. »Steffi hat geschrieben«, sie angelte nach dem Stuhl und setzte sich hin.
»Ach?« Er richtete sich auf. »Deine Nachricht vom wiedergefundenen Moritz und diese Szene vom Bootshaus wird sie wohl kaum glauben können.«
Ella holte tief Luft und drückte auf Öffnen .
»Liebste!«, las sie laut vor. »Unfassbar! Kaum zu glauben – oder nein, eigentlich überhaupt nicht zu glauben. Kann es nicht ein Mann sein, der ihm einfach sehr ähnlich sieht? Bedenke: Wir haben ihn fünfzehn Jahre nicht mehr gesehen …«, vierzehn, korrigierte Ella in Gedanken. »Und sagtest du nicht selbst, er hieße Nils Andersson? So hat es doch wohl diese Malerin gesehen, von der du in deiner Mail berichtet hast. Wie sollte er damals denn nach Schweden gekommen sein? Glaub mir, da passiert eine große Verwechslung. Komm lieber wieder nach Hause, dann sehen wir uns bald. Habe dir viel zu erzählen, New York ist bombastisch international, und es gibt superinteressante Männer. Besonders einen …! Hab dich lieb, küsse dich! Deine beste Freundin!«
Ella verzog das Gesicht. »Der Kuss der Schlange«, sagte sie und schüttelte sich. »Wie kann ein Mensch so falsch sein?«
»Wieso ist sie falsch?« Roger stellte ihr ein Wasserglas hin. »Vielleicht ist es wirklich schwer vorstellbar, dass du hier eurem alten Schulkameraden über den Weg läufst?«
»Über den Weg läufst ist gut«, Ella schaute sich um. »Wenn überhaupt, dann geht er mir wohl aus dem Weg. Und dazu hat er auch allen Grund.«
»Er ist verschwunden, bevor du ihn gesucht hast.«
Ella nickte.
Das Telefon klingelte, Ella sah Roger fragend an, der zuckte die Schultern. »Geh du ran«, sagte Ella. »Vielleicht ist es ja deine Frau.«
Roger grinste und nahm ab.
Er hörte kurz zu, dann reichte er Ella den Hörer. »Siri, für dich.«
Siri fragte, ob Ella und Roger nicht noch mit in die Bar gehen wollten.
Ella warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. Nach elf, schon ziemlich spät. Aber warum eigentlich nicht! Bei all der Aufregung konnte die Bar jetzt nicht schaden. Siri sagte: »Liam holt mich gleich ab, und wir fahren noch nach Södermalm.«
»Mit Siri und Liam noch nach Södermalm?« Ella drehte sich nach Roger um.
»Spitzenidee«, sagte er zu Ellas Erstaunen. »Wenn du magst, ich bin dabei!«
Ella dachte an Bens Mail. Sie hätte sie gern in Ruhe gelesen. Aber jetzt war daran nicht mehr zu denken. Und eigentlich war sie müde. Ach, dachte sie, was soll’s. Ich bin nur einmal in Stockholm, schlafen kann ich wieder in Frankfurt.
Es war dasselbe Lokal, in dem sie schon einmal gewesen waren, und vor dem Eingang war es genauso voll wie beim letzten Mal. »Mach dich dünne«, scherzte Ella, als Siri und Liam zwischen den Hauswänden verschwanden.
»Fast wie in Paris«, sagte Roger hinter ihr. »Da kenne ich auch solche Ecken.« Er senkte die Stimme und flüsterte in ihren Halskragen: »Perfekt für aufregenden Sex.«
»Jetzt gleich?«, fragte sie zurück, aber mehr aus Spaß als aus Lust.
»Wenn du willst?«
Sie spürte seine Hand im Nacken und dann langsam die Wirbelsäule entlangfahren, während sie weitergingen. Was war es nur, was sie an ihm so anmachte? Es musste diese Mischung aus Charme und Macho sein, ganz anders als Ben, der nie seinen Charakter wechselte, sondern immer gleichbleibend nett war. Brauchte sie so einen Typen, um sich an
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