Liebesnöter
zu diesen Jugendlichen fährt, von denen Sie ihr erzählt haben.«
»Margareta und ihre Schwester sind mit ihm aufgewachsen.«
»Wie auch immer. Er ist ein Schwindler und ein Betrüger, ich habe es von Anfang an gewusst!« Malin stieß es förmlich heraus, und ihre Stimme war plötzlich so hasserfüllt, dass Ella noch etwas anderes heraushörte. Eifersucht. Die blanke Eifersucht. Die Frage war jetzt nur, war sie auf ihn oder auf ihre Halbschwester eifersüchtig? War sie am Ende sogar in Moritz verliebt?
Noch eine?
»Aber was kann ich jetzt tun?« Ella starrte ratlos nach unten auf die belebte Straße. Sie erstarrte: eine schwarze Baseballkappe und ein Mann daneben, der von oben wie Roger aussah. Genau unterhalb ihres Fensters, allerdings war sie im fünften Stock und konnte nichts Genaues erkennen. Sie kniff die Augen zusammen. Am liebsten hätte sie das Fenster geöffnet und sich hinausgelehnt, aber das Fenster ließ sich nicht öffnen. Jedenfalls aber gestikulierten beide heftig. Ellas erster Impuls war, sofort hinunterzulaufen und sich das Pärchen von Nahem anzusehen. Und sollten es tatsächlich Steffi und Roger sein … sie verwarf den Gedanken. Bis sie unten war, würden die beiden längst weg sein. Außerdem konnten es nicht Steffi und Roger sein, das war ganz einfach eine gewisse Ähnlichkeit … und das auch nur, weil Siri etwas von einer schwarzen Baseballkappe gesagt hatte.
»Haben Sie gehört?«
»Was?« Ella starrte noch immer nach unten. »Nein, Entschuldigung, ich war gerade abgelenkt.«
»Inger und ich sind ja nur Halbschwestern. Ich bin um fünf Jahre älter als Inger, aber ich erinnere mich, dass ich Nils einmal von der Waldhütte meines Vaters erzählt habe.«
»Eine Waldhütte?«
»Ja, ganz am Anfang, als er immer häufiger bei Inger auftauchte, habe ich ihm davon erzählt.« Jetzt klang ihre Stimme wieder sachlich neutral. »Ständig ruderte er hin und her. Und ich erinnerte mich, dass mein Vater von dieser Waldhütte aus auch immer über den See ruderte. Und ich habe ihm irgendwann einmal gesagt, wenn er so gern rudert, soll er doch einfach diese Hütte dort nehmen, da könne er tagelang rudern, ohne jemanden zu belästigen.«
Ella spürte, wie ihre Kiefer vor Anspannung knackten. Eine Waldhütte.
»Kennt Inger diese Waldhütte?«
»Nein, sie gehörte ja meinem Vater. Ich war später auch nie mehr dort. Außerdem ist mein Vater im letzten Jahr verstorben, was soll ich dort also?«
»Aber Nils haben Sie erklärt, wo diese Hütte liegt?«
»Er war interessiert, und einen Moment lang hab ich wohl geglaubt, ihn dadurch wirklich loszuwerden.«
Ella senkte die Stimme. »Sie lieben Ihre Halbschwester wohl sehr.«
»Mehr als nur eine normale Schwester.« Malin stockte. »Aber das tut hier nichts zur Sache.«
»Nein, natürlich nicht.« Ella überlegte. »Denken Sie, er könnte in dieser Waldhütte sein?«
»Ich habe keine Ahnung, warum er verschwunden ist, und ich empfinde diesen Zustand als wohltuend. Aber ich befürchte, meine Schwester tut sich etwas an, wenn er nicht irgendwann wieder auftaucht, sie verstehen, tot oder lebendig.«
»Tot oder lebendig«, wiederholte Ella langsam. »Und warum schicken Sie nicht die Polizei dorthin?«
»Die Polizei? Ich will meiner Schwester helfen, ich will sie nicht vernichten. So ein öffentlicher Skandal wäre das Letzte, was ich ihr antun würde! Das stünde doch sofort in allen Zeitungen!«
Ella war hin und her gerissen. Dann überwog ihr Drang, Moritz aufzuspüren. »Können Sie mir die Adresse von dieser Hütte per SMS schicken? Ich kann kein Schwedisch.«
»Wenn er dort sein sollte, sagen Sie ihm, er soll Inger einen anständigen Abschiedsbrief schreiben und verschwinden! Von mir aus gebe ich einige zehntausend Kronen Schmerzensgeld dazu.«
Ella zögerte. »Und warum schauen Sie nicht selbst nach?«
»Weil ich mich nicht traue. Ich bin eine ängstliche Natur. Aber Sie haben gewissermaßen alles angezettelt, Sie haben eine Verpflichtung dazu.«
»Eine Verpflichtung«, wiederholte Ella. Sie war doch auch eine ängstliche Natur.
Während Ella auf die SMS von Malin wartete, stand sie am Fenster und versuchte, das Pärchen irgendwo zu entdecken, aber weit und breit sah sie keine schwarze Baseballkappe mehr.
Die Adresse, die kurz darauf als Kurznachricht ihres Smartphone erschien, sagte ihr nichts, aber ihr Phone rechnete aus, dass es bis dort vierundsiebzig Kilometer und eineinhalb Stunden Fahrzeit seien. Ganz schön weit für ein
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