Liebesparadies im Alpenschnee
traurig. „Trotzdem, bitte verzeih mir, wenn ich schlecht über ihn gesprochen habe.“
„Ich muss dich um Verzeihung bitten, weil ich mich in Philippes Erziehung eingemischt habe.“
„Du hattest ja recht, Raoul. Ich habe meinen Sohn leiden lassen, indem ich so tat, als ließe sich die Vergangenheit einfach ausradieren.“ Das zumindest hatte sie inzwischen begriffen. Die Frage, was für Philippes Zukunft das Beste wäre, stellte sich ihr nun umso dringlicher.
Sie blickte auf. „Danke für diesen wunderbaren Tag. Ich werde deine Großzügigkeit nie vergessen. Aber nun fahr mich bitte zu meinem Wagen. Ich möchte zu Hause sein, wenn deine Schwester Philippe zurückbringt.“
Nachdem er Crystal abgesetzt hatte, fuhr Raoul nach Hause. Die Trauer, die er empfand, fühlte sich anders an als die um Suzanne. Der Tod war etwas Endgültiges, er hatte lernen müssen, ihn zu akzeptieren.
Aber Crystal und Philippe lebten. Dennoch durfte er sich keine Hoffnung auf ein gemeinsames Glück machen, denn Crystal dachte anders. Glückliche Tage wie dieser würden daran nichts ändern. Und er würde immer weiter leiden, wenn er nicht bald etwas unternahm.
In seiner Verzweiflung griff er zum Telefon, um seinen Freund Desiderio Pastrana in den Pyrenäen anzurufen. Vor zehn Jahren hatte er ihn in Chamonix bei einer Hochalpentour kennengelernt. Unterwegs hatten sie Freundschaft geschlossen und hatten über die Jahre weitere Bergtouren unternommen.
Nach Suzannes Tod war Des für ihn da gewesen. Er hatte die gemeinsame Reise nach Nepal angeregt. Bei ihren Expeditionen im Himalaja war er an seine physischen und psychischen Grenzen gestoßen, eine Erfahrung, die ihn und seine Einstellung zum Leben verändert hatte. Aber ohne die tiefgründigen Gespräche, die er abends im Zelt mit Des führte, hätte er das alles vielleicht nicht verarbeitet.
Nun brauchte er wieder Hilfe. Des war der Einzige, mit dem er offen über alles sprechen konnte. Lebenskrisen waren seinem Freund nicht fremd. Er hatte seine eigenen immer unkonventionell zu lösen gewusst und dabei ein tiefes Verständnis für andere Menschen entwickelt.
Doch Des ging nicht ans Telefon. Raoul hinterließ ihm eine Nachricht. Danach rief er im Krankenhaus an. Von der Stationsschwester erfuhr er, dass sich der Zustand seines Vaters weiter gebessert hatte. Erleichtert und dankbar legte er auf.
Doch auch diese gute Nachricht konnte seine innere Unruhe kaum lindern. Sollte er hier allein herumsitzen und auf Des’ Rückruf warten? Einsamkeit und Rastlosigkeit hätten ihn verrückt gemacht. Also zog er wieder Schuhe und Jacke an und machte sich zu Fuß auf den Weg in eine nahe gelegene Bar. Dort wäre er wenigstens unter Menschen.
Nachdem Crystal mit Philippe nach Breckenridge umgezogen war, hatte er sich mit Arbeit betäubt, um das quälende Gefühl der Leere ertragen zu können. Zu dieser Zeit begann er, einmal im Monat Philippe anzurufen. Auf diese Weise hörte er wenigstens kurz Crystals Stimme. Die Aussicht auf diese monatlichen Anrufe hatten ihn davor bewahrt, den Verstand zu verlieren.
Doch seine Verfassung war immer schlechter geworden. Im Oktober schlug ihm ein Kollege vor, eine Auszeit zu nehmen und Urlaub zu machen, sonst wäre er bald für Rettungsaktionen untauglich.
Nach einem dieser Gespräche mit Crystal, das mal wieder viel zu kurz ausgefallen war, hatte er schon erneut zum Hörer greifen und ihr mitteilen wollen, dass er nach Breckenridge kommen würde, um seinen Neffen zu sehen. Dann war sein Vater erkrankt, Raoul hatte beschlossen, nach Colorado zu reisen, um Crystal und Philippe nach Chamonix zu holen. Natürlich hätte er ein solches Szenario niemals herbeigewünscht, aber die Krankheit seines Vaters war der erste glaubhafte Vorwand für dieses lang ersehnte Vorhaben.
Doch ironischerweise fühlte er sich seitdem kaum besser. Crystal lebte nun in greifbarer Nähe und immer noch unerreichbar für ihn in seinem Elternhaus. Nie zuvor hatte er sich so verlassen gefühlt.
Noch ehe er in der Bar einen Platz gefunden hatte, zupfte ihn jemand am Ärmel. Es war die Schwester eines Bergführers, den er kürzlich eingestellt hatte.
„ Bonsoir , Monique. Wie geht es Ihnen?“
Die dunkelhaarige Frau lächelte. „Gut, besonders, seit du hier bist. Bist du allein hier?“
Er war hergekommen, um ungestört etwas zu trinken, doch nun sah er ein, dass das eine Schnapsidee gewesen war. Außer den Touristen kannten ihn in der Gegend alle Einheimischen.
„Ich suche
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