Liebesparadies im Alpenschnee
einen Kunden, um mit ihm eine Tour zu besprechen. Wahrscheinlich habe ich ihn zu lange warten lassen. Ich muss versuchen, ihn in seinem Hotel zu erwischen“, behauptete er.
„Aber Zeit für einen Tanz wirst du doch noch haben.“ Sie lächelte.
„Tut mir leid. Erst die Arbeit, dann das Vergnügen.“
Sie verzog den Mund. „Den Spruch kenne ich von meinem Bruder.“
„Grüß ihn von mir, Monique. A bientôt .“
Raoul sah sich gezwungen, sie stehen zu lassen und schnell aus der Bar zu verschwinden. Die eiskalte Luft tat ihm gut. Deshalb unternahm er einen langen Spaziergang, ehe er auf Umwegen nach Hause zurückkehrte. Er schloss die Fensterläden für die Nacht, ließ ein Kleidungsstück nach dem anderen achtlos im Flur fallen und ging unter die Dusche.
Gerade als er aus dem Bad kam, klingelte das Telefon. Es war Des. „Salut, mon vieux“ , sagte Raoul erleichtert.
„Es ist also nicht zu spät? Was ist denn so dringend, dass ich jederzeit zurückrufen soll?“
„Wie viel Zeit gibst du mir für die Antwort?“
„Na, hör mal. So viel du willst. Schieß los.“
Raoul warf sich den Bademantel über und setzte sich aufs Bett. „Da muss ich aber ein bisschen ausholen, wenn du nichts dagegen hast.“
„Mach es nicht so spannend.“
Eine halbe Stunde brauchte Raoul, um seinem Freund alles zu erzählen. Das allein gab ihm schon ein Gefühl der Erleichterung.
Sein Freund antwortete mit langem Schweigen. „Des?“, fragte Raoul nach einer Weile.
„Hm, ich habe nachgedacht. Falls du einen Rat wünschst, könnte ich dir höchstens diesen hier anbieten …“
Des’ Vorschläge lagen ziemlich nah an dem, was er sich schon selbst gesagt hatte. Doch tat es gut, die Dinge noch einmal aus dem Mund seines Freundes zu hören, dessen Urteil er so schätzte.
„Jules! Ich glaube es nicht“, rief Crystal, als sie ihren Schwiegervater auf dem Flur vor seinem Krankenhauszimmer antraf. Er hatte sich bei seiner Tochter eingehakt und wagte dort die ersten Schritte.
„Ist das nicht wunderbar?“ Vivige strahlte.
Crystal eilte den beiden entgegen und umarmte ihren Schwiegervater. „Was sagt der Arzt dazu?“
„Ich darf morgen nach Hause, wenn mein Zustand stabil bleibt.“
„Das ist ja eine tolle Nachricht!“
Die drei gingen ins Krankenzimmer zurück. Vivige half ihrem Vater, sich ins Bett zu legen. „Ich muss noch ein paar Weihnachtseinkäufe erledigen. Aber du hast ja jetzt Crystal an deiner Seite.“
„Prima. Lauf nur und kümmere dich um deine Familie. Mit Crystal werde ich mich bestimmt nicht langweilen.“
Nachdem Vivige gegangen war, zog Crystal sich einen Stuhl ans Krankenbett. „Ich bin so froh, dass es dir wieder besser geht, Jules.“
Er nahm ihre Hand und drückte sie. „Ich wünschte, das könnte ich zu dir auch sagen, ma fille .“
Sie schluckte.
„Ich hoffe, du empfindest es nicht als taktlos, was ich sage. Du siehst immer noch ziemlich angegriffen aus. Ich spreche nicht über das Äußere, sondern hierüber.“ Er klopfte auf die Herzseite seines Brustkorbs. „Erzähl mir, was hast du dir für die Zukunft vorgenommen?“
„Mich um Philippe zu kümmern.“
In seinen Augen schimmerten Tränen. „Er braucht viel Liebe und Fürsorge. Wie jeder kleine Junge.“
Sie nickte. „Das stimmt. Du weißt es, denn du hast zwei großgezogen.“
„Und ein Mädchen.“ Er schaute ihr gerade in die Augen. „Was noch?“
Wie Raoul liebte Jules das offene Gespräch, und sie hatte nicht die Absicht, ihn anzulügen. „Ich denke darüber nach, auch für mich etwas zu tun. Doch noch kann ich mich nicht darauf konzentrieren, denn ich mache mir im Moment große Sorgen um Philippe. Er hat ein schweres Jahr hinter sich.“
„Was bedeutet, dass du es doppelt schwer hattest. Es tut mir leid, ma fille .“ Er streichelte ihre Hand und ließ sie dann los. „Ich kann dich nicht einmal damit trösten, dass die Zeit alle Wunden heilt. Daran glaube ich nicht. Aber ich habe inzwischen gelernt, dass das Leben neue Perspektiven eröffnet. Wenn man sie wahrnimmt und aufgreift, dann findet man wieder Freude.“
Crystal wusste nicht, was sie antworten sollte. Gestern mit Raoul hatte sie offen sprechen können, aber durfte sie das ihrem Schwiegervater zumuten?
Während sie noch mit sich rang, öffnete sich die Tür, und Arlette trat ein.
„Was höre ich, du kommst morgen wieder nach Hause?“, rief sie. Dann bemerkte sie Crystal. „Das haben wir dir zu verdanken. Du hast uns unseren Enkel hergebracht.
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