Liebesschloesser
war mein bester Freund und jetzt … habe ich im Grunde niemanden mehr. Ich bin allein und ich hasse es! Ich hasse es, jeden Morgen aufzustehen und zur Schule zu gehen. Ich hasse die Gesichter der anderen und das Getuschel … Ich hasse es, ihn zu sehen und zu wissen, dass er mich verraten hat. Dabei kennen wir uns seit dem Kindergarten.“
Tränen rinnen über seine Wangen. Vorsichtig fange ich eine auf, aber Jonas zuckt zurück, wischt mit einer Hand wütend über sein Gesicht.
„Zuhause läuft es auch nicht besser. Meine Eltern behandeln mich wie einen Aussätzigen und jetzt …“, er schnieft, dann sieht er mich an. „Jetzt hatte meine Oma diese verrückte Idee und ich … stelle mich so doof an, obwohl … ich meine … Scheiße“
Er stottert so niedlich herum, dass mir ganz warm im Bauch wird.
„Du bist echt niedlich.“
Die Worte entkommen mir, bevor ich darüber nachdenken kann. Jonas schaut mich mit zusammengezogenen Augenbrauen an.
„Du verarschst mich, oder?“, brummt er und wischt erneut über seine Wange.
„Nein, aber eigentlich wollte ich das gar nicht sagen …“, murmle ich und fühle mich tatsächlich ein wenig verlegen. Er erzählt mir so eine verdammte Geschichte und ich kann ihn nur anstarren und mich fragen, ob seine Lippen so weich sind, wie sie aussehen. Sie sind für sein zierliches Gesicht fast zu groß und dunkelrot.
„Es tut mir leid, dass sich dein angeblich bester Freund so bescheuert benommen hat. Und ich … also, wenn du magst, würde ich wirklich gern mit dir ins Kino gehen.“
Ein richtiges Strahlen huscht über Jonas Gesicht und direkt hinein in mein Herz. Das ist gar nicht gut, auch wenn es sich gerade perfekt anfühlt. Dieser Junge ist nichts für mich. Er ist … zu jung … und überhaupt. Ich werde mich auf gar keinen Fall Hals über Kopf in ihn verlieben. Seufzend schließe ich die Augen und kann nicht glauben, dass es in meinem Bauch verräterisch kribbelt.
„Kino?“
Es ist eine rhetorische Frage, die Jonas damit beantwortet, dass er die Beifahrertür öffnet und aussteigt. Ich verlasse ebenfalls das Auto und gehe auf ihn zu.
„Sehe ich jetzt verheult aus?“, fragt er leise und sieht mich mit seinen wasserblauen Augen an. Tatsächlich sind sie ein wenig gerötet, aber ich schüttle den Kopf und streichle sanft seine Wange.
„Du bist sehr hübsch“, murmle ich vor mich hin und verliere mich in seinem Blick. Ich spüre, wie er näher kommt, fast als würde er … Bevor ich die Kontrolle verliere, weiche ich ein Stück zurück. Natürlich bemerke ich seinen enttäuschten Gesichtsausdruck, aber das hier ist auch nicht der richtige Ort für einen Kuss oder was er auch immer vorhatte.
Ich bezahle von Omas Geld die Karten und Jonas kauft einen riesigen Eimer Popcorn, Cola und Nachos. Wir suchen uns weiter hinten einen Platz. Außer uns sitzen noch fünf andere Leute im Saal. Es dauert nicht lange, dann öffnet sich der Vorhang und wir rutschen tiefer in unsere Sessel.
Der Film ist spannend. Einige Male schreckt Jonas zusammen, sodass ich versucht bin, meinen Arm um seine Schulter zu legen. Aber ich mache es nicht, stattdessen berühren sich unsere Arme auf der gemeinsamen Lehne. Ich spüre Jonas Blick auf mir und drehe mich zu ihm um. Er sieht mich unsicher an, aber ich lächle und nicke leicht. Seine Nähe fühlt sich gut an. Ich spüre das leichte Kribbeln, das von der Berührung ausgeht, und schließe für einen Moment die Augen.
Hin und wieder treffen sich unsere Hände, wenn wir zur gleichen Zeit in den Popcorneimer greifen.
***
Im Auto gehen wir Szene für Szene noch einmal durch. Wir lachen und diskutieren wild. Jonas geht richtig aus sich heraus. Es macht unglaublich Spaß, ihm zuzuhören, wie er ausgelassen lacht oder zu sehen, wie er gegen imaginäre Feinde kämpft. Nebenbei frage ich, wo ich ihn absetzen soll und irgendwann stehen wir vor seiner Haustür.
„Das war schön!“, sagt er leise.
„Ja, fand ich auch!“
„Da werden sich wohl unsere Omas freuen …“, fügt er grinsend hinzu.
„Bestimmt“, erwidere ich nickend. Eigentlich will ich mich noch gar nicht von ihm trennen.
„Würdest du … also wollen … wir …“
„Ja“, unterbreche ich sein Stottern lachend. „Krieg ich deine Nummer?“
Sofort holt Jonas sein Telefon aus der Hosentasche. Wir tauschen unsere Nummern, dann schweigen wir wieder. Eigentlich wäre es jetzt an der Zeit, dass er aussteigt, aber irgendetwas scheint ihn noch zu beschäftigen. Auf
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