Liebesschmarrn und Erdbeerblues: Roman (German Edition)
Die vielen Termine nahmen mich so in Beschlag, dass ich kaum die nötige Ruhe fand, mich auf das Schreiben zu konzentrieren.
»Wenn du mehr Zeit brauchst, dann sag Bescheid.« Schon wieder schien er meine Gedanken erraten zu haben. Langsam wurde er mir unheimlich.
»Kein Problem, ich schaffe das«, sagte ich zuversichtlich.
Als der Tanz vorüber war, nutzte ich die Pause, um die Toiletten im Haus aufzusuchen. Endlich! Ich zupfte alles zurecht und fühlte mich wieder wohl.
Da dieses Problem jetzt endlich beseitigt war, meldete sich mein Magen mit einem deutlichen Knurren. Bisher hatte ich noch nichts gegessen. Ich machte mich auf in Richtung Büfett, das unter einem großen Pavillon angerichtet war. Es gab buchstäblich alles, was das Herz begehrte. Von bayerischen Schmankerln bis zu ausgefallenen Spezialitäten aus aller Herren Länder. Ich stand vor all den warmen und kalten Köstlichkeiten und konnte mich nicht entscheiden.
»Ich hatte es fast befürchtet, Sie hier zu sehen.« Die spöttische Stimme würde ich noch mit fünfundneunzig und ohne Hörgerät erkennen: Karl Huber! Er stand leibhaftig neben mir und schaufelte sich hauchdünn geschnittenen Rindfleischsalat auf den Teller, als ob in Passau bald die Hungersnot ausbrechen würde.
»Dass es Sie gibt, hatte ich fast schon vergessen«, sagte ich bemüht gleichgültig. Dabei hätte ich ihm am liebsten eine Garnele in den Mund gestopft.
»So hat sich das aber beim gestrigen Facebook-Posting nicht angehört. Ich zitiere: ›Karl Huber hat sich bei der krampfhaften Suche nach einer bayerischen Liebeserklärung die kaum vorhandenen Gehirnwindungen verhakelt‹.«
Stimmt. Das hatte ich letzte Nacht geschrieben. Aber erst, nachdem er mich eine liebesunfähige Vaterlandsverräterin genannt hatte.
»Ach ja. Jetzt, wo Sie es sagen …«, tat ich überrascht.
»Schön, dass das Kurzzeitgedächtnis noch funktioniert. Bei übrig gebliebenen älteren Frauen ist das ja nicht immer der Fall.«
Ältere Frau? Übrig geblieben? Dieser Kerl machte mich rasend. Tausende Schimpfwörter lagen mir auf der Zunge, und es kostete mich einige Überwindung, sie ihm nicht alle einzeln an den Kopf zu werfen. Aber diesmal wollte ich mich nicht von ihm provozieren lassen. Nicht auf diesem Fest. Nicht vor all den Leuten.
Mir war der Appetit vergangen, und ich stellte den Teller unbenutzt wieder zurück.
»Nicht genug Auswahl für die Mamsen?«, fragte er mit einem hämischen Grinsen.
»Die Auswahl ist super, nur die Gesellschaft momentan ziemlich geschmacklos.«
Ich drehte mich um und ging.
So schnell wollte ich mir nicht die Stimmung verderben lassen und suchte nach Ablenkung. Da fiel mein Blick auf Michi, der mich ebenfalls anschaute. Von Sabine war weit und breit nichts zu sehen. Wie schön! Meine Füße setzten sich wie von selbst in Bewegung. Ohne es eigentlich geplant zu haben, stand ich plötzlich vor ihm.
»Hallo Michi. Es ist schön hier, nicht wahr?« Meine Stimme klang etwas unsicher.
»Ja. Sehr schön.« Er nahm einen Schluck Wein.
Ich wusste nicht, was ich noch sagen sollte. Und er sagte auch nichts. Da kam mir ein Gedanke.
»Ich bräuchte deinen Rat in einer vertraglichen Angelegenheit.«
»Um was geht es denn?«, fragte er interessiert. Er schien froh, dass mir etwas eingefallen war, über das wir uns unterhalten konnten.
»Nun ja, in den nächsten Tagen erwarte ich meinen Buchvertrag. Ich gehe zwar davon aus, dass alles in Ordnung ist, aber ich wäre sehr froh, wenn du mal einen Blick darauf werfen könntest, bevor ich unterschreibe.« Ich sagte es mit einem gewissen Stolz in der Stimme.
»Schau, schau. Ein Buchvertrag. Gratuliere, Lene. Es hat sich ja einiges bei dir getan, seit … wir auseinander sind.«
»Genau wie bei dir, Michi.«
Ich sah Sabine auf uns zusteuern. Auch er bemerkte seine neue Freundin, und ich spürte sein Unbehagen.
»Lass dir nächste Woche einen Termin geben.« Damit drehte er sich um, fing Sabine ab und ging mit ihr auf die Tanzfläche. Ich beobachtete sie eine Weile beim Tanzen. Sabine drückte sich fest an ihn und blickte dabei bewusst in meine Richtung. Was sich gar nicht gut anfühlte. Ich wollte mich gerade wegdrehen, da hörte ich plötzlich ein sympathisches Brummen über mir. Ich schaute hoch. Ein dicker Maikäfer steuerte behäbig in Richtung einer Laterne in der Nähe. Bei seinem Anblick musste ich lächeln. Jetzt erst verdiente das Maienfest wirklich seinen Namen. Ich freute mich, wie ich mich immer als Kind gefreut
Weitere Kostenlose Bücher