Liebesschmarrn und Erdbeerblues: Roman (German Edition)
er sich zu mir.
»Sag mal, kann es sein, dass Anne auf … also ich meine, dass sie nicht auf Männer steht?« Er sagte es so, als ob er sich generell nicht vorstellen konnte, dass irgendeine Frau nicht auf Männer stand.
»Wie kommst du denn darauf?«, fragte ich scheinheilig.
»Na ja. Wie sie dich anschaut. Und … äh … sie macht noch nicht mal den kleinsten Versuch, mir zu gefallen.« Es steckte keine Eitelkeit hinter dieser Aussage, sondern nur die Feststellung seiner Wahrnehmung.
»Also ist sie …?«
Ich grinste.
»Ja. Das kann durchaus sein, Ernesto.«
Anne kam mit der Eistüte zurück.
»Moment!« Sie leckte die Tropfen am Rand ab und reichte mir dann das Eis. Damit hatte sie sich unmissverständlich als eine Konkurrentin im Kampf um meine Gunst geoutet.
Ernesto nahm den Fehdehandschuh auf, und ab diesem Zeitpunkt benahmen sich die beiden wie kleine Kinder auf Zuckerentzug, die um eine Tafel Schokolade stritten.
»Lene, hast du Lust, morgen eine kleine Motorradtour nach Österreich zu machen?«, fragte Anne.
»Genau das Gleiche wollte ich auch vorschlagen. Vielleicht eine Spritztour nach Prag«, mischte Ernesto sich ein, bevor ich antworten konnte.
»Ach, also ich fahr nicht so gerne auf einem Motorrad mit«, erklärte ich und zog mich damit geschickt aus der Affäre, wie ich dachte. Doch die beiden gaben nicht auf.
»Und wie wär’s mit einem kleinen Fahrradausflug an der Donau entlang?« Anne hatte als Ortsansässige natürlich einen gewissen Vorteil gegenüber Ernesto, welche Möglichkeiten es in und um Passau herum gab. Der wunderschöne Donau-Radweg führte durch verträumte kleine Ortschaften, idyllische Weinberge in der Wachau, vorbei an Klöstern und Burgen, über die geschichtsträchtigen Städte Wien und Budapest bis hin zum Schwarzen Meer. Für einen kleinen Fahrradausflug war das natürlich viel zu weit. Aber so ein kurzer Streckenabschnitt war auch schon ein schönes Erlebnis.
»Jetzt fällt mir ein, für morgen sind schwere Gewitter gemeldet«, erinnerte sich Ernesto plötzlich. »Aber wir …«
»Wenn das Wetter schlecht ist, könnten wir endlich unseren Ausflug nach Jaging ins Aquarium nachholen. Ich hab gehört, dass der Umbau jetzt abgeschlossen ist«, unterbrach Anne ihn und schaute mich erwartungsvoll an.
»Oder wir gehen in die Sauna«, schlug Ernesto vor.
Sauna mit den beiden? Das würde ich mir bestimmt nicht antun. Ich winkte ab.
»Vielleicht ein anderes Mal.«
»Oder gehen wir doch heute ins Kino«, kam ein neuer Vorschlag von Anne.
»Gute Idee, was läuft denn?«, fragte Ernesto äußerst interessiert nach.
»Eine schnulzige Liebeskomödie. Nix für Machos.«
»Prima. Genau das Richtige für mich.« Er grinste in meine Richtung.
Insgeheim amüsierte ich mich köstlich über die beiden. Ihr Verhalten erinnerte mich an die Hauptfiguren in den Screwball-Comedys der Fünfzigerjahre, die ich so mochte. Nur dass aus Anne und Ernesto, im Gegensatz zu Doris Day und Rock Hudson im Film Bettgeflüster , bestimmt niemals ein Liebespaar werden würde. Ich suchte nach einer Lösung, bei der ich niemandem einen Korb geben musste.
»Also, für morgen möchte ich mir nichts vornehmen, weil ich noch viel zu schreiben habe. Aber zu einem gemeinsamen Kinoabend heute würde ich nicht Nein sagen.« Als ich in die Gesichter der beiden sah, merkte ich, dass mein Vorschlag nicht das war, was sie hören wollten. Trotzdem waren sie einverstanden. Ich steckte mir das letzte Stück der Eiswaffel in den Mund und schrie gleich darauf vor Schmerzen auf. Irgendetwas hatte mich in die Lippe gestochen.
Man begegnet sich im Leben immer mindestens zweimal, heißt es. Dass das innerhalb so kurzer Zeit sein würde, hätte ich nicht gedacht. In der Notaufnahme erkannte mich Doktor Fischer nicht sofort, als er an mir vorbeiging. Kein Wunder, denn nach dem Stich der Biene in meine Oberlippe, sah ich schlimmer aus als Chiara Ohoven nach einer vor Jahren vermutlich verunglückten Schönheitsbehandlung. Zum ersten Mal, seit ich ein Teenager war, lenkte mein Gesicht die Leute von meinem Dekolleté ab. Einige starrten verstohlen, die meisten jedoch ungeniert auf meine eindrucksvollen Schlauchboot-Lippen.
»Schau mal, Mami, die Frau schaut aus wie eine Ameise bei Biene Maja «, staunte ein kleines Mädchen mit lustigem Lockenkopf und zeigte mit dem Finger auf mich. Tja, und genau so eine kleine Biene Maja hat mich so zugerichtet, wollte ich sagen. Doch das Sprechen ging mir nur schwer von den
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