Liebesschmarrn und Erdbeerblues: Roman (German Edition)
Lippen.
Durch das kleine Mädchen war Doktor Fischer auf mich aufmerksam geworden.
»Hi Dodor Ficher«, begrüßte ich ihn, trotz der Schmerzen froh, ihn wiederzusehen. Da erkannte er mich endlich.
»Mensch, Frau Koller, wie schauen Sie denn aus?«, sagte er unbedacht, dann korrigierte er sich: »Entschuldigung. Ich meine, was ist denn mit Ihnen passiert?«
»Iiiene. Gedochen …« Es war wirklich schwierig, mit der geschwollenen Oberlippe zu sprechen.
Doris und Rock, äh, Anne und Ernesto übernahmen es, vom Bienenunfall zu erzählen.
»Kommen Sie mal mit«, forderte er mich auf, »und Sie warten hier«, wies er meine beiden Begleiter an, die uns folgen wollten. In der kurzen Zeit seit unserer ersten Begegnung war er deutlich selbstbewusster geworden.
Nach einer eingehenden Begutachtung der Lippe fand er es nicht notwendig, mir ein Medikament zu verabreichen.
»Der Stachel ist völlig entfernt, und ich habe die Einstichstelle desinfiziert. Sicherheitshalber könnte ich Ihnen ein Antihistamin verabreichen. Aber wenn Sie meine Schwester wären, würde ich zu einem Hausmittel raten.«
Die Schwester von Doktor Fischer? Ein netter Gedanke. Ich nickte und sagte: »Haumiddl.«
»Gut. Dann reiben Sie die Einstichstelle mit einer aufgeschnittenen Zwiebel ein. Und gegen die Schwellung bitte Eisbeutel auf die Lippe legen«, erklärte er.
»Chiehel?«
»Ja. Zwiebel. Es kann sein, dass die Lippe in den nächsten Tagen immer wieder mal anschwillt. Das ist nicht ungewöhnlich. Wenn es aber schlimmer wird, melden Sie sich bitte bei Ihrem Hausarzt oder wieder hier in der Notaufnahme.«
»Daf hoche ich nich.«
»Ich gebe Ihnen einen Kühlbeutel mit für die Heimfahrt. Oder besser noch, ich spendiere Ihnen am Kiosk ein Fruchteis«, schlug er vor.
O nein! Von Eis hatte ich genug heute … Ich schüttelte den Kopf und rang mir ein Lächeln ab, das sicherlich eher einer Grimasse ähnelte.
»Kühleudl is esser.«
Doktor Fischer musste lachen und entschuldigte sich gleich wieder dafür. Er beauftragte eine Schwester, mir einen medizinischen Kühlbeutel zu bringen, und dann entließ er mich damit nach Hause.
»Und ruhen Sie sich für den Rest des Tages aus«, riet er noch.
Somit war der geplante Kinobesuch Opfer eines Bienenangriffs geworden und fiel ins Wasser. Ich verabschiedete mich mit einigen wenigen Buchstaben, die man auch mit megadicken Lippen aussprechen konnte, und einem angedeuteten Luftküsschen von Anne. Ernesto brachte mich betrübt nach Hause, und wir vereinbarten zu telefonieren, sobald ich wieder richtig reden konnte.
Kapitel 26
Es dauerte tatsächlich eine Weile, bis die Schwellung endgültig zurückging. Da ich mich in diesem Zustand nicht sehen lassen wollte, rief ich Matthias an und bat ihn, mir ein paar Tage in der Anzeigenannahme freizugeben, damit ich den Ratgeber schneller fertig schreiben konnte. Da er ohnehin ständig drängte, das Manuskript endlich zu beenden, genehmigte er mir den Urlaub ohne weitere Nachfrage. Somit musste ich auch Claudia nicht sehen. Sie hatte sich immer noch nicht bei mir gemeldet. Und ich würde sie auch nicht anrufen. Die abgeschlossenen Kapitel leitete ich jeweils an Matthias weiter, der sie Claudia zum Überarbeiten gab. In den nächsten Tagen verließ ich das Haus nicht und lehnte auch die Besuchsanfragen von Ernesto und Anne, ja sogar die von Matthias ab. Nur Julia kam ab und zu vorbei und versorgte mich mit Lebensmitteln vom Hof und Neuigkeiten von Papa, der sich seit der Beerdigung von Hans seltsam verhielt. Obwohl er Julia nach wie vor bei den schweren Arbeiten half, fand er ständig neue Ausreden, wenn sie ihn, wie noch vor Kurzem üblich, zu Kaffee und Kuchen am Nachmittag einlud. Ich vermutete, dass er ihr nach dem Tod ihres Mannes genügend Zeit geben wollte, um in Ruhe zu trauern.
Sicherlich ahnte Julia, dass Vater seit Langem mehr für sie empfand als Freundschaft. Zumindest hoffte ich das. Und obwohl sie Hans geliebt hatte, glaubte ich, dass auch Julia sich schon länger zu meinem Vater hingezogen fühlte. Ich würde mich da aber jetzt nicht einmischen. Das mussten die beiden unter sich ausmachen. Außerdem war es so kurz nach dem Tod von Hans zu früh, das Thema anzusprechen.
Neben Julia war das Internet in diesen Tagen der einzige Kontakt zur Außenwelt. Lissy schrieb mir und bat um Terminvorschläge für eine Sitzung unseres Vereins zur Findung der bayerischen Liebesworte. Ich schlug zwei Termine im darauffolgenden Monat vor. So hätte sie genug
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