Liebesschmarrn und Erdbeerblues: Roman (German Edition)
passte es wie angegossen.
»Das ist wie für Sie gemacht!«, zeigte sich die Verkäuferin begeistert. Und ich war völlig ihrer Meinung.
Es war ein besonderes Modell, in einem edel glänzenden Grauton über einer Art spanischer weißer Bluse, welche die Schultern freiließ. Die Träger des Kleids hatten kaum die Breite einer Kinderhand und waren modisch leicht gerafft. Das Mieder war mit schwarzen Bändern locker geschnürt. Da die Schürze denselben Farbton hatte wie das Kleid, fiel sie nur wegen der Schleife auf, die ich auf der linken Seite gebunden hatte. Was traditionell bedeutete, dass ich nicht verheiratet oder verlobt und somit noch zu haben war. Das Binden der Schleife auf der rechten oder linken Seite war, wenn man es genau nahm, ein volkstümliches öffentliches Zeichen für den Familienstand der Trägerin. Früher waren sogar die Varianten »Jungfrau«, wenn man die Schleife vorn mittig band, oder »Witwe«, wenn die Schleife hinten war, üblich. Eigentlich ganz praktisch, wie ich fand. Wahrscheinlich täten sich die Singles dieser Welt ohnehin viel leichter, einen Partner zu finden, wenn man an einem bestimmten, natürlich international gemeingültigen Zeichen an Hose oder Rock, Bluse oder Pulli, Mantel oder Jacke, Lendenschurz oder Kokosschalen-BH erkennen könnte, ob die betreffende Person noch zu haben war. Wir Bayern hatten es mit dem Binden der Schleifen an den Schürzen der Dirndlkleider vorgemacht. Womöglich war ich ja berufen, dies in anderer Form in die Welt hinauszutragen? Darüber musste ich mir gelegentlich noch meine Gedanken machen. Bestimmt wäre das auch ein gutes Thema für einen weiteren Ratgeber.
Noch ganz ergriffen von diesem neuen Gedanken blickte ich in den Spiegel und fand, dass mein Dirndl das schönste Kleid war, das ich jemals angehabt hatte.
Langsam wurde es Zeit, mich auf den Weg zum Schiff zu machen. Da ich keine Lust hatte, in der Passauer Altstadt nach einem Parkplatz zu suchen, bestellte ich ein Taxi.
Unterwegs meldete sich Ernesto am Handy. Er würde sich um eine Stunde verspäten und es leider nicht mehr schaffen, bis zur Abfahrt des Schiffs in Passau zu sein. Das war schade. Oder vielleicht auch nicht? Womöglich war es besser, dass er auf dem Schiff nicht dabei war. Denn nach dem vergangenen Abend sah ich der Begegnung mit Matthias mit gemischten Gefühlen entgegen und wusste nicht so recht, was ich sagen sollte. Mit Ernesto an meiner Seite würde mir das sicherlich noch schwerer fallen. Und dann gab es noch Karl. Der würde ja auch kommen, was mich zunehmend nervös werden ließ.
Die erste Hürde war überraschend leicht genommen. Matthias, in einem hellgrauen Sommeranzug, der farblich wunderbar zu meinem Kleid passte, stand mit dem Bürgermeister und den beiden Bayerls vor dem Schiffssteg. Als er mich sah, kam er mir mit einem aufmunternden Lächeln entgegen.
»Hallo Lene!«, begrüßte er mich, als ob nichts gewesen wäre, und umarmte mich.
»Es tut mir leid«, sagte ich leise.
»Das weiß ich. Muss es aber nicht«, flüsterte er mir ins Ohr. Dann sah er mich von oben bis unten anerkennend an. »Fantastisch siehst du aus!« Sein Kompliment blieb nicht das einzige an diesem Abend.
Auch der Bürgermeister, Severin und Alwin begrüßten mich herzlich. Letzterer drückte mich an sich und zog mich dann zur Seite.
»Bei uns steht bald eine Hochzeit ins Haus, und ich wollte dich fragen, ob du mir dabei helfen magst, eine kleine spezielle Hochzeitsbroschüre zu schreiben.«
Eine Broschüre? Für eine Hochzeit? Alwin würde heiraten? Ja wen denn?
»Wer ist denn die Braut?«, fragte ich neugierig.
»Lissy natürlich«, informierte mich Alwin und grinste. Lissy natürlich? Natürlich hatte ich wieder mal nicht mitbekommen, was so um mich herum passierte.
Kaum hatte er von ihr gesprochen, da stieg sie auch schon aus einem Taxi. Ich hatte sie seit Wochen nicht mehr gesehen und war verblüfft über ihre Erscheinung. Lissy hatte deutlich abgenommen und trug ein figurbetontes dunkelrotes Kleid, in dem sie ganz bezaubernd aussah. Glücklich strahlend kam sie auf uns zu. Doch statt ihrem Zukünftigen fiel sie Severin um den Hals, und die beiden küssten sich ungeniert. Moment? Was war das denn jetzt?
»Ja aber …«, stotterte ich verwirrt.
»Du hast nicht gefragt, wer der Bräutigam ist.« Alwin war sichtlich amüsiert.
»Lissy heiratet deinen Vater?«, fragte ich ungläubig nach. Dabei hatte Severin doch nach einer Frau für seinen Sohn gesucht. Scheinbar war er
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