Liebesvergessen (German Edition)
gepacktem Rollkoffer in Hut und Mantel schief, mit nur einer Pobacke, auf ihrer Bettkante. Sie hatte offensichtlich noch Schmerzen, blickte den Bedenkenträgern aber kampfeslustig entgegen: „Meine Herren, ich sattle die Hühner. Mein Helmut wartet. Ich hau ab!“ Der Halbkreis grummelte betroffen, besprach das Für und Wider und entließ Oma Klein dann gegen ärztlichen Rat. Natürlich mit den besten Wünschen und auch mit einer gewissen Einsicht: „Reisende soll man nicht aufhalten“, fabulierte der Herr Chefarzt und geleitete Oma Klein weltmännisch aus dem Zimmer. Kurz drehte sie sich noch mal zu mir: „Frau Plage! Ich wünsche noch gute Besserung und lassen Sie mir ja nicht den schnuckligen Ex von der Angel, mit so einem lässt es sich bestimmt gut alt werden.“ Sie winkte zum Abschied. Ich nickte ihr zu. Die Weißkittel verzichteten auf eine weitere Baubesprechung an meiner Person und verließen ebenso das Zimmer.
Endlich allein! Unschlüssig schaltete ich den Fernseher an. Vielleicht würde mich das Fernsehprogramm auf andere Gedanken bringen oder Erinnerungen wach rufen. Erwartungsvoll zappte ich langsam durch die Kanäle. „Hot-News... Wie geht es mit dem Euro weiter?“
Interessiert mich nicht die Bohne.
Nächster Sender: „Neuwahlen in Griechenland, Ausgang völlig offen.“
Ach Menno! Langweilig! Mir doch Wurscht!
Nächstes Programm: „Griechische Banken erhalten 18 Millionen Euro.“
Was ein hübsches Sümmchen!
Alles was mir zu Griechenland in den Sinn kommen wollte, und jetzt staunte ich selbst nicht schlecht, war der liebe Udo Jürgens. Ich fing an, das Lied vom „Griechischen Wein“ zu summen und freute mich, dass ich mich überhaupt an etwas erinnerte, und wenn es auch nur ein Lied war. Immerhin!
Während ich hübsch beflügelt vor mich hin summte, schaltete ich im Programm weiter. Udo Jürgens war zwar ein enormer Fortschritt, aber leider nicht das, was ich mir erhofft hatte. Ich zappte vom Tatort über Talkshows zu einem Gesundheitsmagazin, welches sich mit Warzen jeglicher Art auseinandersetzte. Zum Thema Gesundheit wollte mir glattweg noch ein Thema einfallen: „Bei Rot bleibe stehn! Bei grün kannst du gehn, bei Rot sollst du warten, bei grün kannst du starten….“ Prima, ein Schüttelreim!
Das Zappen machte mich müde und ich beließ es bei einer Casting-Show, in der halbwüchsige Teenager leider den Drang verspürten, zu singen. Wenigstens in jeder zweiten Runde saß einer d er Jurymitglieder mit völlig widerwilligem Gesicht vor dem jeweiligen Newcomer und urteilte: „Alter, ischwöre, du hast mich jetzt hier mal gar nischt abgeholt. Nischt sooo viel. Never wird das was mit uns.“ Und bei dem Satz „Nischt sooo viel“ zeigte Der- oder Diejenige mit einer Hand in die Kamera und presste Daumen und Zeigefinger aufeinander, so als würde man eine Ameise zerquetschen. Die armen Kids! Haben die keine Eltern, die sie vor so einer Schmach beschützen?
Angewidert schaltete ich den Fernseher aus. Und kurz bevor sich ein Krankenhauskoller anbahnte, betrat mein (immer noch wirklich fabelhaft aussehender) Ex-Gatte das Zimmer. Er lugte zur Tür hinein und als er sah, dass ich wach war, grinste er breit.
„Hallo Tom!“, begrüßte ich ihn freudig erregt, „soll ich dir mal was vorsingen? Ich kann da eins!“ Toms Gesichtszüge wurden ernst.
„ Bitte nur, wenn es sich wirklich nicht vermeiden lässt. Ich weiß, dass du dich anhörst wie unsere alte Waschmaschine.“ Ich flunschte und Tom grinste sparsam. Nichtsdestotrotz fing ich aus vollen Lungen an, Udo Jürgens zu schmettern. Tom hielt sich die Ohren zu und machte ein Gesicht, als würde ich mit dem Fingernagel über die Tafel...
So ein Spinner! Ich verstummte.
„Aber hör doch mal, ich kann den Text!“, forderte ich ihn auf, mir zuzuhören.
Tom hatte auf dem Besucherstuhl Platz genommen und stöpselte nun ergeben die Finger aus seinen Ohren.
„Ja! Schön, dass du textsicher bist, was macht es da, dass ich aus meinen Ohren blute?“, stichelte er.
„Schon gut, Penny“, lenkte er ein, „das ist doch ein gutes Zeichen. Es zeigt doch, dass du anfängst, dich an gewisse Dinge zu erinnern. Ich find es zwar fragwürdig, dass du dich an griechischen Alkohol erinnerst, aber wenn dir dein Unterbewusstsein etwas mitteilen möchte...“, frotzelte er. Ich streckte ihm die Zunge raus und seufzte gelangweilt: „Hier gibt es sonst nicht viel Neues. Die alte Frau Klein hat sich heute Morgen selbst entlassen und
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