Liebesvergessen (German Edition)
von Versandhäusern oder Ebay, die mir Kauf- und Versandbestätigungen hatten zukommen lassen. Ich öffnete eine nach der anderen. In einer der Mails wurde mir mitgeteilt, dass zwei meiner Entwürfe in Schrobenhausen zur Abholung bereit lagen. Ich suchte in meiner Verteilerliste nach dem Namen „Gerome“ und leitete die E-Mails an ihn weiter. Ein Stromanbieter teilte mir mit, dass er mich vermisste und ein Reiseveranstalter fand, dass ich nun lange nicht verreist war. Ebenso bot ein Versandhauskatalog eine über alle Maßen effiziente Waschmaschine feil. Bis auf die Schrobenhausen-Mails löschte ich alles. Plötzlich teilte mir die blecherne Stimme nochmals mit, dass ich eine neue E-Mail erhalten hatte. Erwartungsvoll öffnete ich sie.
„Liebe Penny, danke für die Weiterleitung der Mails. Ich konnte mich zeitnah schon um alles kümmern, da du für mich deinen E-Mail-Account hier in der Firma freigeschaltet hast. Ich hoffe, dir geht es inzwischen besser. Wir vermissen dich hier alle. Werde schnell wieder gesund. Wenn du zu Hause bist, komm ich dich besuchen. Wir haben einiges zu besprechen. Bussi Gerome“
Ich lächelte versonnen, während ich Geromes E-Mail las. Demütig freute ich mich darüber, dass mich alle vermissten, wer auch immer „alle“ waren. Ich erinnerte mich daran, wie ich mich gefühlt hatte, als ich allein im MRT lag und glaubte, niemand würde sich um mich scheren. Vermisst zu werden, war definitiv ein gutes Gefühl. Nachdem ich, bis auf Geromes Mail, jegliche Reklame gelöscht hatte, lag vor mir ein leeres E-Mail-Fach. Und wieder eine blütenweiße Weste!
Ich klickte auf den Button „Pennys Fotos“. Es öffnete sich ein Extra-Fenster mit über hundert winzigen Fotos. Neugierig vollzog ich einen Doppelklick und es öffnete sich ein beinahe bildschirmgroßes Bild. Mit einer Pfeiltaste klickte ich mich nun durch die einzelnen Bilder. Fremde Menschen lächelten mir feierlich entgegen, prosteten mir zu oder schnitten alberne Grimassen. Die meisten der Fotos illustrierten Modenschauen. Frauen in tollen, teuer aussehenden, extravaganten Kleidern, eines schöner als das andere. Männer in stylischen Anzügen, manche festlich, etliche leger. Auf vielen Fotos war Georg abgebildet, meist ein Sektglas in der einen Hand und verschiedene Frauen im anderen Arm, manchmal auch mich. Ihm soll ich erlegen sein? Doch schon, er war attraktiv auf eine gewisse Art und Weise, intensiver jedoch wirkte auf mich seine väterliche Seite, die er ausstrahlte, wenn auch nur per Foto. „Liegt das vielleicht an der Tatsache, dass ich ohne Vater aufgewachsen bin?“, psychologisierte ich, während ich weiter klickte. Ziemlich zum Ende hin stieß ich auf Fotos von mir mit Vera und Isa und auch auf Fotos mit Tom. Diese Fotos dokumentierten eine Feier, eventuell einen Geburtstag. Auf einem der Bilder griente Vera, gemeinsam mit zwei kleinen Kindern im Arm, in die Kamera. Das mussten Leo und Klara sein. Sie waren ihrer Mutter wie aus dem Gesicht geschnitten. Ich lächelte und war glücklich, diese Fotos sehen zu dürfen. Gedanklich klopfte ich mir selbst auf die Schulter und war froh über den Umstand, dass ich mir einst Zeit genommen hatte, sie zu fotografieren.
Ich scrollte weiter und hielt inne. Ich, auf Toms Schoß. Mein Herz setzte einen Schlag aus. Wir saßen eng umschlungen und küssten uns. Tom hielt währenddessen seinen Mittelfinger in die Kamera. Ich betrachtete das Foto eingehend und versuchte, mich mit purer Willenskraft an diesen Kuss zu erinnern. Nach wenigen Sekunden lief mir zwar der Sabber aus den Mundwinkeln, eine Erinnerung ließ sich dennoch nicht erzeugen. Ich wurde nicht wirklich schlau aus den Fotos. Ob der vielen Eindrücke wurde mir schwindlig. Resigniert klappte ich den Laptop zu und versuchte mich zu beruhigen. Oma Klein lief nervös im Zimmer auf und ab und teilte mir mit, dass egal, was die Visite ergeben würde, sie heute das Krankenhaus verlassen würde. „Komme, was wolle!“
Recht hat sie. Und ich sollte mich ihr anschließen!
Ich konnte mich inzwischen selbständig fortbewegen, wenn auch nur lahmend an einer Krücke und im Schneckentempo, allerdings konnte ich den gebrochenen Arm und den Hinkefuß auch zu Hause schonen. Mein gewohntes Umfeld, das heißt, das Haus in dem ich wohnte und Toms Nähe, würden sich sicher begünstigend auf meine Amnesie auswirken.
Nach dem Frühstück bildete sich die übliche Traube von Weißkitteln um Oma Kleins Bett. Sie saß stoisch mit
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