Liebesvergessen (German Edition)

abbekommen, weswegen Sie so undeutlich sprechen. Aber auch das werden wir konservativ versorgen können. Benötigen Sie zusätzliche Schmerzmittel oder können Sie es so aushalten?“
    „Fufätzlich fitte“, erwiderte ich nuschelnd, „fenn föglich“. Ich seufzte.
    „ Auferdem fabe ich fotzdem noch feine Ahnung, fer ich fin.“ Mein Kiefer knackte laut. Der Arzt trat einen Schritt näher. Jetzt, endlich konnte ich sein Namensschild erkennen. Ich las: Dr. Ringelnatz, Chefarzt, Chirurgie.
    Oha, der Chefarzt persönlich! Großartig! Bin ich am Ende doch nicht gesetzlich versichert? Vielleicht bin ich ja Privatpatientin! Vielleicht bin ich aber auch nur ein medizinisches Phänomen und wichtig für die Vita des Herrn Chefarztes?! Wieso erinnere ich mich gar nicht an diesen Unfall, von dem alle sprechen?
    „Farum fatte ich überfauft einen Funfall? Und fatte ich Fafiere fafei? Oder ein Felefon?“, bohrte ich nach. Dr. Ringelnatz nickte, wie,  um anzudeuten, dass er mein Gebrabbel verstand. Schön! Ich bin begeistert. Ich lebe in Fuck-City! (sprich: Fuck-Fity)
    „Ja Frau Plage, wie schon gesagt, Sie hatten gestern einen Unfall. Nach Zeugenaussagen wollten Sie noch über die Straße eilen, obwohl die Ampel längst auf Rot geschaltet hatte. Sie haben sich mit einem Kleintransporter angelegt. Dabei haben Sie sich die Nase gebrochen, den Kiefer verknackst, den Unterarm und den Mittelfuß gebrochen und Sie haben eine Gehirnerschütterung. Sie können von Glück reden, dass nicht noch mehr passiert ist.“
    Wenn der Typ noch einmal was von Glück faselt, breche ich ihm im Strahl vor die Füße! Firklich! Ich nickte schuldbewusst. Wer ist schon derart geistig umnachtet und läuft bei Rot über den Damm?
    Die Ringelnatter umrundete mein Bett und beugte sich hinunter zu meinem Nachtschrank. Er öffnete die Tür und brachte eine schwarze Lederhandtasche zum Vorschein.
    „Hier, das muss Ihre sein, das heißt, sie lag in einiger Entfernung am Unfallort. Ob da ein Telefon drin ist, weiß ich nicht. Vielleicht nehmen Sie sich den Inhalt mal in aller Ruhe vor, vielleicht können Sie sich ja dann an irgendetwas erinnern.“ Der Chefarzt kratzte sich selbstvergessen am Kopf. Ich nickte wieder.
    „Und wann fällt mir wieder ein, wer ich bin?“ Mein Gebrabbel wurde allmählich verständlicher, diagnostizierte ich selbst. Dr. Ringelnatz tippte sich mit dem Zeigefinger an den Mund, ohne etwas zu sagen. Er zuckte mit den Schultern und schlenderte gemächlich zum Fußende des Bettes. 
    „Ich glaube, das Beste ist, ich lasse Sie noch von einem Neurologen untersuchen, Frau Plage. Bisweilen kann so ein Trauma eine retrograde Amnesie zur Folge haben. Ob das bei Ihnen der Fall ist, lässt sich so früh nicht beurteilen. Der Unfall ist ja noch ganz frisch. Geben Sie sich selber Zeit, um sich in Ruhe an alles zu erinnern.“
    „Retro… fas?“, fragte ich verunsichert.
    Das Nachbarbett erwachte zum Leben und wurde aufmerksam.
    „Ach! Das ist ja spannend. Die weiß nicht, wer sie ist? Das liest man doch sonst nur in Romanen, oder Herr Doktor ?!“ Der Chefarzt drehte sich in ihre Richtung. Die Oma war ganz aus dem Häuschen und setzte sich kerzengerade auf.
    „Ja, in Büchern habe ich das vor allem gelesen, in Fachbüchern!“, nahm er der Oma den „Baccara-Wind“ aus den Segeln.
    Na was ein Klugscheißer. Und warum mischt sich die Alte eigentlich in meine Krankheit ein? Das ist hier schließlich meine Amnesie! Retrograd!
    „Oft gibt es so etwas nicht“, konstatierte die Ringelnatter und wandte sich erneut mir zu, „aber wenn es doch mal vorkommt, dann erinnern sich die meisten Patienten recht schnell wieder daran, wer sie sind“, bagatellisierte er jovial. „Also hören Sie bitte auf, sich Sorgen zu machen. Das wird schon wieder!“
    Der hat leicht Reden ... Machen Sie sich keine Sorgen ... Pah! 
    Ich überlegte angestrengt, ob mir zu meinem eigenen Namen etwas einfallen wollte. Penelope Plage. Hatte ich einen Kosenamen? Pen oder Penny vielleicht? Und habe ich schlechte Eltern? Wer nennt denn sein Kind Penelope Plage? Nichts! Keine Erinnerungsfetzen, nicht mal negative, womit ich jetzt eigentlich fest gerechnet hatte. 
    Ich fasse zusammen: Ich hatte einen Unfall, weil ich bei Rot über die Ampel gegangen war. War ich komplett übergeschnappt? Oder vielleicht nur leichtsinnig? Bin ich vor irgendetwas davon gerannt? Oder war jemand hinter mir her? War das vielleicht so meine Art... schnell noch bei dunkelgrün? Insgeheim