Liebesvergessen (German Edition)
und machte mich humpelnd mit ihr auf den Weg. Während ich langsam mit Betsy die Straße entlang spazierte, überlegte ich, was als nächstes zu tun war. Ich hatte doch nicht einen solch dramatischen Unfall überlebt, um hinterher zu resignieren. Ich musste langsam anfangen, mein Leben wieder auf die Reihe zu bekommen. Nur wie?
Wenn ich ehrlich zu mir selbst war, musste ich mir eingestehen, dass ich wenig Sinn darin sah, wieder in Georgs Geschäft zu arbeiten. Erstens hatte ich keinen Schimmer, was ich dort zu tun hatte. Und abgesehen davon, müsste ich ihm jeden Tag begegnen und wäre jederzeit seinen Annäherungsversuchen ausgesetzt. Gerome hätte die undankbare Aufgabe, mich komplett neu einzuarbeiten und das, obwohl er selbst grad alle Hände voll zu tun hatte mit der fashion week.
Die Mails, die ich ständig erhielt, die mich auf dem Laufenden halten sollten, hörten sich ganz danach an, als würden Gerome und Isa Tag und Nacht ackern, aber offensichtlich lief der Laden auch ohne mich ganz gut. Es hieß, die Models sind gecastet, die Friseure bestellt. Auch hatten die Models größtenteils schon ihre Outfits. Im Prinzip warteten alle nur darauf, dass die große Show endlich losging. Abgesehen davon, dass ich für die fashion week momentan so gar keinen Kopf hatte, machten sich allmählich Mutterfreuden in mir breit. Betsy nahm ihre Leine in die Schnauze und zottelte mich zurück zu unserem Haus. Sie hatte auch genug vom Gassi gehen. Wir traten also den Rückweg an. Ich schloss die Tür auf und genoss die himmlische Ruhe. Nachdem ich mir einen Tee gekocht und ein Frühstücksbrot geschmiert hatte, ging ich nach oben und setzte mich an meine Nähmaschine. Irgendwie hatte das etwas von nach Hause kommen. Ich durchforstete die Stoffe, die neben der Maschine am Boden lagen und kramte nach einer bestimmten Sorte von Stoff. Als ich sie nicht fand, opferte ich einen meiner Jogginganzüge, schnitt ein Muster zurecht und fing an zu nähen. Der Stoff war gelb. Hieß es nicht immer, dass Gelb eine geschlechtslose Farbe sei? Den Strampler würde also sowohl ein Mädchen als auch ein Junge tragen können. Die Arbeit ging mir derart flüssig von der Hand, so als hätte ich nie etwas anderes gemacht. Plötzlich klingelte mein Handy. Ich zog es aus der Hosentasche und nahm den Anruf entgegen.
„ Hermine hier“, kam es sauertöpfisch von der anderen Seite. Ich biss vor Spannung meine Kiefer aufeinander und war neugierig, was mir gleich berichtet würde.
„Hallo Hermine! Na? Wie war das Musical?“, versuchte ich locker aus der Hüfte.
„Das Musical? Du fragst mich, wie das Musical war?“ Herm ines Stimme vibrierte im Ansatz und überschlug sich beinahe. Ich biss meine Zähne noch fester aufeinander und kniff die Augen zusammen. Am liebsten hätte ich sofort aufgelegt. Ich räusperte mich nervös. Im Hintergrund vernahm ich männliches Glucksen.
„War das Alfhard?“, fragte ich neugierig.
„Mensch Alfi“, schnaubte Hermine, „jetzt hat sie’s mitbekommen *giggel, giggel*, nimm doch deine Hände dort weg… Alfi nein, lass das!“, hörte ich es aus weiter Ferne ausgelassen. Offensichtlich sprach man gerade nicht mit mir. Allerdings fiel mir ein Stein vom Herzen, und zwar deshalb, weil ein Großteil meines Masterplans aufgegangen war. Das schien ziemlich offensichtlich.
„Hermine? Hallo?“ , brachte ich mich in Erinnerung.
„Ja, also, äh ja , entschuldige Penny. Ich wollte nur Bescheid geben, dass ich heute noch kurz vorbei komme, um meine Sachen bei euch abzuholen. Alfhard ist endlich zur Vernunft gekommen und hat mich gebeten, wieder nach Hause zu kommen… naja… und wer bin ich, dass ich ihm so einen Wunsch abschlage?! Ach und Penny… danke für … du weißt schon…“, hauchte sie feierlich mit tief empfundener Dankbarkeit auf ihren belegten Stimmbändern. Während ich die Überraschte spielte, tänzelte ich gut gelaunt durch meine obere Etage und stopfte alles, was Hermines Eigen war, schon mal in einen Koffer.
„Okay Hermine, super, ich freu mich wahnsinnig für euch! Aber für mich noch viel mehr! Wenn du kommst reich ich dir deinen Koffer heraus, dann könnt ihr gleich heimfahren. Ihr habt sicherlich eine Menge nachzuholen, oder?“ Am anderen Ende hörte ich etwas, dass nach: „Alfi nein, och Alfi, bitte, ich telefoniere *huijuijui*, ach lass das doch, Alfi! Aus!“ klang. Leider denkt der Mensch in Bildern und das Kopfkino, das jetzt durch meine Stirn wanderte, war eher gruselig. Ich
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