Liebeswut (Junge Liebe) (German Edition)
verzweifelt. Er rannte aus der
Klasse. Weiler schüttelte den Kopf. „Ich habe schon andere
Ausreden gehört - bessere.“
„Wollen Sie damit sagen, dass Neal lügt?“ Richard sah seinen
Lehrer scharf an.
„Na ja, so oft, wie der fehlt im Unterricht.“
Auch Cecile klang empört über Weilers Worte. „Das ist eine Gemeinheit, dass sie Neal so etwas unterstellen. Wir haben doch alle
gesehen, wie schlecht er aussah. Ihm ging es wirklich nicht gut.“
Die anderen Schüler nickten zustimmend und warfen Weiler
missachtende Blicke zu.
„Natürlich denke ich nicht, dass er lügt. Ist doch klar“, lenkte
Weiler ein. Vermutlich hätte er sonst keine Chance gehabt, mit
dem Unterricht fortzufahren.
Taumelnd betrat Neal sein Elternhaus. Er versuchte, so leise wie
möglich zu sein, doch es gelang ihm nicht ganz. Kaum war er an
der ersten Treppenstufe angekommen, hörte er schon die Stimme
seiner Mutter: „Wo kommst du her? !“
Er drehte sich um und sah in Stephanies wütendes Gesicht.
„Von der Schule.“
„So früh? Der Unterricht ist doch sicher noch nicht zu Ende. Und
wo warst du gestern Nacht? Du bist nicht nach Hause gekommen!
Wir haben uns Sorgen gemacht.“
„Es tut mir leid, aber ...“, weiter kam er nicht.
„Neal, das geht allmählich zu weit. Du bist erst sechzehn! Du
gehst hier jedoch ein und aus, wie es dir gerade passt! Du hältst
dich an keine Abmachungen, die wir getroffen haben. – Ich weiß
echt nicht weiter. Du enttäuschst mich immer wieder!“
Neal senkte den Kopf. Seine Stimme wurde plötzlich ganz leise.
„Aber Mum, ich wollte doch gestern Nacht nach Hause kommen,
es war nur so ...“
„Ja?“ fragte Stephanie sogleich, und ihre Augen weiteten sich.
„Ich war ... bei Freunden ... aus meiner Klasse, und wir haben
Video gesehen.“
„Das ist noch lange kein Grund, die ganze Nacht wegzubleiben!“
Neal spürte die Wut seiner Mutter, wie einen Faustschlag.
„Mir ist schlecht geworden. Ich habe spucken müssen! Lag wohl
an den Chips.“
Stephanie sah ihn überrascht an.
„Warum hast du denn nicht angerufen?“, wollte sie wissen. „Wir
hätten dich doch abholen können.“
„Es war schon so spät. Ich wollte euch nicht mehr stören.“ Neal
starrte zu Boden. „Ich bin dann dort geblieben.“
„Und jetzt? Wie geht es dir?“, fragte Neals Mutter nun besorgt.
„Immer noch nicht besser.“ Das entsprach durchaus der Realität.
„Mir ist so übel“, sagte Neal leise und hielt sich die Hand vor den
Bauch. Wenn sie wüsste, dachte er, was mir widerfahren ist, wäre
ihr sicher auch schlecht.
Mitfühlend kam seine Mutter auf ihn zu, strich ihm behutsam über
das Haar.
„Dann musst du sofort ins Bett. Soll ich dir einen Tee bringen?“
„Das wäre schön, Mum.“ Neal umarmte seine Mutter, wie ein
kleines, ängstliches Kind, das Schutz suchte. Und so fühlte er sich
in diesem Moment auch. Warum war nicht alles nur ein böser
Traum? Er seufzte.
X.
Total übermüdet schlief er ein. Er bemerkte nicht einmal, wie
seine Mutter wenig später den Tee brachte. Nach ein paar Stunden
wurde er jedoch wieder wach. Auf seinem Nachttisch standen
Tropfen gegen Übelkeit und ein Tablett mit Essen. Neugierig sah
Neal auf den Teller, als er Stimmen auf der Treppe hörte. Dann
ging seine Zimmertür auf.
„Neal, da ist Besuch für dich!” Stephanie sah ins Zimmer. „Es ist
Dirk!”
Mit schockiertem Blick sah Neal seine Mutter an.
„Was will er?”
„Ich weiß nicht”, antwortete sie, und schon tauchte Dirks Gesicht
hinter ihr auf.
Stephanie Anderson lächelte und verschwand. Dirk schloss die
Tür, dann kam er ein paar Schritte auf Neal zu.
„Was willst du hier! ?”, schrie dieser aufgebracht. Wütend zog er
seine Bettdecke hoch bis an das Kinn, dann drehte er sich um.
„Du bist ja immer noch maulig.” Dirk schmunzelte bei der
Feststellung. Er setzte sich zu Neal an das Bett, als würde er
dessen Wut gar nicht ernst nehmen.
„Ich bin enttäuscht von dir.“ Neal klang wirklich erschüttert. „Du
widerst mich an, echt!”
Dirk verdrehte die Augen. Es war offensichtlich, dass er Neals
Verhalten nicht nachvollziehen konnte.
„Reg’ dich mal wieder ab!”
Da drehte sich Neal wieder um. Seine Augen flackerten vor Wut.
„Abregen?” wiederholte er fassungslos. „Du hast mich ausgenutzt,
missbraucht, vergewaltigt! Gerade du, der immer nett zu mir war.
Ich habe dir vertraut! Und dann so was!” Neal war den Tränen
nahe. Er biss sich auf die Zunge und
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