Liebeswut (Junge Liebe) (German Edition)
schaffen? ... Oder doch früher?
Wenn er per Anhalter fahren würde?
Von weitem hörte er ein Auto nahen. Er hob den Daumen und
hoffte, dass der Fahrer ihn mitnehmen würde, doch dann stutzte er.
Der Wagen, der sich näherte, war Dirks Wagen. Er musste erneut
umgedreht und wieder zurückgefahren sein, denn nun kam das
silberne Gefährt genau auf Neal zu. Dieser senkte den Daumen
wieder und verharrte.
Mit hoher Geschwindigkeit fuhr das Auto auf ihn zu. Es wurde
nicht langsamer. Ja, wollte Dirk nicht allmählich abbremsen? Neal
schluckte. Nein, der Wagen stoppte nicht. Immer schneller kam er
auf Neal zu. Ihm blieb keine Wahl. Er fing an zu laufen. Der
Wagen war ihm inzwischen schon dicht auf den Fersen. Neal
sprintete, so schnell er konnte, doch das Surren des Autos wurde
immer lauter, kam immer näher und war nur noch ein paar Meter
von ihm entfernt.
Wenn ich jetzt falle, fährt er mich über den Haufen, dachte er, und
doch rannte er verzweifelt weiter. Ich muss die Straße verlassen,
um Himmels Willen, ich muss hier runter ... Verdammt!,
hämmerte es in seinem Kopf. Panik stieg in ihm auf. Er sah sich
schon als blutigen Matschhaufen auf der Straße kleben. Er sah
schon die neugierigen Gesichter der Schaulustigen über seinem
Leichnam stehen und sagen: „Welch’ tragisches Unglück! Warum
hat der Junge auch nicht die S-Bahn genommen?“
Doch dann atmete Neal erleichtert auf. Rechts entdeckte er eine
Schneise, die genau in den Wald führte. Das war seine Rettung!
Mit einem großen Sprung verließ er die Straße, dann rannte er in
den Feldweg hinein. Er musste fast grinsen, so erleichtert war er,
doch sofort wurde seine Freude zerstört. Er hörte brechendes Holz.
Auch der Wagen hatte die Straße verlassen und bahnte sich nun
einen Weg durch das Dickicht. Dirk hatte die Verfolgung nicht
aufgegeben.
Neal war mit den Nerven am Ende. Er hätte losheulen können,
doch dafür war einfach keine Zeit! Er musste weiterlaufen. Der
Wagen war schon wieder viel zu nah.
Mit viel Mühe stolperte er durch den mit Bäumen und Büschen
bewucherten Weg. Er nahm nichts mehr wahr, nur noch diesen
entsetzlichen Motor, der ihm immer mehr auf den Leib rückte. Er
konnte einfach nicht mehr. Seine Kräfte ließen nach. Nur die
Tatsache, dass er nicht überrollt werden wollte, ließ ihn
weiterlaufen. Doch dann passierte es: er stolperte! Eine riesige
Baumwurzel, die er erst im letzten Moment gesehen hatte, griff
nach seinem Fuß, hielt ihn fest ... Mit einem lauten Schrei fiel
Neal zu Boden.
Nun ist es aus!
Er kniff die Augen zusammen, und hielt sich die Hände schützend
über den Kopf. Der Motor war jetzt ganz nah. Er hörte ein
Bremsen, hörte den Wagen im Laub rutschen ... und kurz vor
Neals Körper kam er dann endlich zum Stehen. Neals Beine waren
jedoch unter der Kühlerhaube des Wagens verschwunden.
Stille!
Dann wurde die Wagentür geöffnet. Neal hörte Schritte, die auf
ihn zukamen. Er spürte eine Hand, die nach ihm griff.
„Bist du des Wahnsinns?“ Es war Dirk. „Hast du dir was getan?
Steh’ doch auf! Bist du verletzt?“
Benommen, ja fast unter Schock, krabbelte Neal unter dem Wagen
hervor. Mit wackeligen Beinen richtete er sich auf.
„Nee, ich hab’ mir nichts getan“, sagte er leise.
„Warum bist du denn weggerannt? ... Bei dir tickt es wohl nicht
ganz richtig!“, schoss es aus Dirk heraus. Sein Gesicht war
angespannt. Er atmete hektisch. „Was hätte da alles passieren
können! ?“
Bei diesen Vorwürfen konnte Neal kaum Worte fassen. War er
nicht der Gejagte gewesen?
„Warum ich weggerannt bin? Das fragst du noch? Wie konntest
du mich nur so hetzen? ... Ich hatte solche Angst! Du hättest mich
töten können! Ist dir das bewusst?“
„Ich?“ Dirk wurde kreidebleich. Tränen schossen in seine Augen.
„Wie kannst du so etwas sagen? Ich wollte doch nur, dass du
einsteigst ... zu mir ... Ich wollte, dass du ...“, er schluchzte, „dass
du einsteigst ... Ich wollte mich entschuldigen ...“
Verzweifelt schlang er seine Arme um Neal, und Tränen rannen
seine Wangen hinunter.
„Wie kannst du denken, dass ich dich überfahren würde ... Du bist
doch mein ein und alles ... Bitte! Verzeih’ mir doch!“
Neal schluckte. Er war erstaunt über Dirks plötzlichen Gefühlsausbruch und tief betroffen. Dass sein Freund so emotional werden
konnte, empfand er fast als etwas Unheimliches. Er suchte nach
Worten.
„Aber, es sah wirklich so aus, als ob du mich verfolgst! ...
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