Liebeswut (Junge Liebe) (German Edition)
Woher
sollte ich denn ahnen, dass du dich mit mir versöhnen willst?“ Er
seufzte tief, dann drückte er Dirk an sich.
„Ich ... ich liebe dich doch so ...“, kam es aus diesem heraus. Sein
Körper schüttelte sich vor Verzweiflung und dem heftigen
Tränenmeer. „Ich würde dir niemals etwas Böses antun ...“
„Das weiß ich doch“, erwiderte Neal, und er fuhr Dirk fürsorglich
durch das Haar.
„Küss mich.“ Es klang flehend.
Sogleich trafen sich ihre Lippen, und eng aneinandergepresst
sanken sie zurück auf die Kühlerhaube des Wagens. Sie küssten
sich innig und voller Leidenschaft.
Und ich war mir so sicher!, durchdrang es Neals Gedanken. Er
hatte mich verfolgt. Ich sah sein verbittertes Gesicht hinter dem
Lenkrad ... Und nun, habe ich ihm Unrecht getan? ... Ich werde
ihm verzeihen, denn ich liebe ihn, und ich selbst bin ein Schwein.
Küsse ihn hier, und lasse ihn im Unwissen darüber, was gestern
mit dieser Sophie gelaufen ist. Doch er wird nicht erfahren, was
ich getan habe, aus Eifersucht, aus Rache ... Und ich werde nicht
erfahren, ob er mich nicht doch vor Wut überfahren wollte ...
Neal stöhnte verärgert, als er mit Dirk dann endlich in der Schule
ankam, und es gerade zur Pause klingelte. Hektisch strömten die
Schüler seiner Klasse aus dem Unterrichtsraum.
„Ach, jetzt sind wir doch zu spät!“
„Dafür haben wir uns versöhnt!“, entgegnete Dirk. Er zog Neal an
sich.
Schmunzelnd trafen sich ihre Lippen. Sie bemerkten nicht, dass
Weiler sich ihnen näherte. Erst, als seine abfällig klingende
Stimme ertönte:
„Deswegen bist du also zu spät!“
Erschrocken drehte Neal sich um. Doch Dirk ergriff sofort das
Wort für ihn.
„Wir hatten eine Autopanne.“
Neal biss sich verlegen auf die Unterlippe. Er zog sich in seine
Klasse zurück. Doch das Gespräch zwischen Dirk und Weiler war
noch längst nicht zu Ende.
„Dass Sie sich nicht schämen.“ Weiler war außer sich.
„Wieso?“ Dirk tat ahnungslos.
„Es gehen Gerüchte um“, sprach Weiler weiter. Er senkte seine
Stimme, damit niemand mithören konnte. „Und demnach zu
urteilen, was ich eben gesehen habe, stimmen die auch noch. Sie
haben ein Verhältnis ... mit dem jungen Anderson.“
Dirk zuckte mit den Schultern. Er blieb deutlich gelassen.
„Ist doch kein Geheimnis hier an der Schule. Man kann doch offen
reden – über Homosexualität, oder nicht? In der heutigen Zeit ...“
Weiler lächelte verkrampft.
„Es ist wider die Natur, wenn man sich gleichgeschlechtlich
orientiert. Aber das ist Ihre Sache!“ Er rümpfte die Nase. „Mir
missfällt es eher, dass Sie so unbedacht damit umgehen.“
Dirk stellte sich immer noch ahnungslos.
„Ich habe Sie eigentlich immer intelligenter eingeschätzt“, fuhr
Weiler fort, „doch nun ... Haben Sie schon mal darüber
nachgedacht, was der Elternbeirat dazu sagen würde, wenn das
publik wird? Sie sind fast zwanzig - der junge Anderson gerade
mal sechzehn. Ich muss Ihnen wohl nicht erzählen, dass in diesem
Falle ordentlich Ärger auf Sie zukommen könnte.“
Dirk verschränkte seine Arme vor dem Bauch. Fragend sah er den
Lehrer an.
„Wollen Sie mir drohen?“
„Ich weise Sie lediglich darauf hin, dass Sie diese Spielchen mit
Neal in der Öffentlichkeit zu unterlassen haben.“ Weiler machte
eine kurze Pause. „Wissen eigentlich Neals Eltern davon?“
Dirk schwieg.
„Ich werde sie wohl mal wieder anrufen müssen.“ Grinsend drehte
sich Weiler um und ging. Dirk blieb sprachlos zurück. Es war das
erste Mal, dass er nichts kontern konnte. Das erste Mal, dass er
seine Macht nicht ausspielen konnte, das erste Mal, dass er seine
Überlegenheit, seine überragende Position, nicht ausspielen
konnte. Er seufzte. Konnte das wahr sein? Sollte er diesmal
wirklich der Verlierer sein? Müsste er zum ersten Mal selbst
einstecken?
„Ach, Herr Weiler!“, rief er plötzlich.
Der Lehrer drehte sich fragend um.
„Ist es eigentlich wahr, dass Ihr Vertrag an der Schule in wenigen
Monaten ausläuft?“
Weilers Mund öffnete sich lautlos. Perplex nahm er seine Brille
ab. „Woher wissen Sie das?“
Dirk schmunzelte. „Ich weiß so einiges. Sie haben wohl vergessen,
dass mein Onkel der Direktor dieser Schule ist.“
XXIV.
Nervös sah Neal auf das Publikum, dann klopfte er gegen das
Mikro, so dass ein dumpfer Laut ertönte. Die Menge wurde
aufmerksam. Neals Herz pochte schmerzhaft.
„Ich freue mich, dass Sie so zahlreich erschienen sind!“, fing er
an.
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