Liebhaber der Finsternis
sich aufs Gesicht. Es war leicht feucht vom frisch gewaschen Haar und roch erregend nach ihr. Sie dort unten einsam zu wissen, schnürte ihm die Kehle zu. Sein Bruder kannte ihn zu gut. Ja, seine Qualen waren wohl offensichtlich. Doch noch lag er nicht am Boden. Cian war impulsiv und langweilte sich schnell, darin steckte er all seine Hoffnung. Und dauert es eine Ewigkeit, er würde es ertragen, und am Ende schlösse er sie in seine Arme. An etwas anderes zu denken war zu diesem Zeitpunkt unerträglich. Wenn sie erst einmal so weit war, den Fehler einzugestehen, war der Weg in seine Arme geebnet.
Sie hatte die zwei Nächte überstanden und wartete, dass Cian sie abholen kam.
Die Zeit zog sich wie Kaugummi, und als sich Cian auch nach Stunden nicht blicken ließ, begann sie, um Hilfe zu rufen. Corben war am vergangenen Abend nicht zu ihr gekommen und sie wusste nicht, was sie davon halten sollte. Sie vermutete, dass Cian dahintersteckte. Sie hielt Corben für zuverlässig, er hatte sich um sie gekümmert. Er war nicht so grausam, wie sie ihn zuerst eingeschätzt hatte.
Die Rufe verhallten ungehört an den dicken Steinwänden, und als sie fast schon aufgeben wollte, öffnete sich die Tür und ihr Gefährte trat ein. Sein Anblick erschreckte sie, er sah erbärmlich aus, seine Haare klebten ihm ungekämmt am Kopf. Dunkle Schatten um seine Augen ließen darauf schließen, dass er die vergangenen Tage nicht geschlafen hatte. Er trug noch die gleiche Kleidung wie zwei Nächte zuvor. Unbehaglich knabberte sie an ihrer Unterlippe, sie konnte die Situation nicht einschätzen. Irgendwie war er verändert, nichts von dem Strahlen des ersten Tages war übrig. In seinen Augen las sie unendliche Traurigkeit. Sie überlegte, wo sie diesen Ausdruck das letzte Mal gesehen hatte. Dann fiel es ihr ein. Ein Abbild ihrer selbst, genau so hatte sie ausgesehen, als sie die Hoffnung aufgegeben hatte, dass ihr Verlobter jemals von seiner Reise zurückkehren würde. Sie waren nicht offiziell verlobt, wollten aber nach seiner Rückkehr heiraten. Sie sah Thomas nie wieder. Gerüchte machten die Runde, er hätte in Deutschland eine reiche Frau geheiratet. Nach zwei Jahren vergeblichen Wartens beschloss sie, die Hoffnung zu begraben und somit sich selbst. Es war ihr zweiunddreißigster Geburtstag, den sie allein auf dem Friedhof verbrachte, die erste Nacht, in der sie auf die Vampire wartete.
Cian hatte jemanden verloren, jemanden, den er bis an sein Lebensende lieben würde und es schien hoffnungslos, dass sie diese Person jemals ersetzen könnte. Die Wut war in diesem Moment verraucht. Sie waren zwei gequälte Seelen. Zwei Verwandte, die großes Leid hinter sich hatten. Offensichtlich war sie in ihrer Trauerbewältigung Cian einen Schritt voraus. Und da wusste sie, dass sie ihn niemals verlassen könnte. Ihre Aufgabe war es, ihn über seinen Verlust hinwegzutrösten, sie schwor sich, für ihn da zu sein, so lange, bis er sie fortschickte.
„Cian, geht es dir gut?“ Langsam ging sie auf ihn zu, und als sie bei ihm war, nahm sie ihn in die Arme und drückte seinen Kopf zwischen ihre Brüste. Sie streichelte ihm liebevoll über die Haare. Dann nahm sie ihn wie einen kleinen Jungen an die Hand und zog ihn hinauf in sein Zimmer. Dort ließ er sich von ihr entkleiden und unter die Dusche ziehen. Sie zog sich aus und bestieg mit ihm die Dusche. Das warme Wasser belebte sie und er ließ sich die Fürsorglichkeit gefallen. Sie nahm Schwamm und Shampoo, wusch ihn zärtlich, streichelte seine Brust und seinen Rücken.
Es war, als würde sie eine Leiche waschen. Egal was sie anstellte, er reagierte nicht. Sie trocknete ihn ab und legte ihn ins Bett. Mit starren Augen blickte er zur Decke. Langsam bekam sie es mit der Angst. Sie zog sich einen Bademantel über und verließ leise das Zimmer. Sein Bruder hatte vielleicht eine Ahnung, was ihm fehlte. Er würde wissen, was zu tun war, damit es ihm besser ging. Sie klopfte leise an Corbens Tür.
„Herein“, rief Corben durch die schwere Eichentür. „Leah, was ist los?“
„Es geht um Cian. Er benimmt sich komisch. Er reagiert nicht und sieht niedergeschlagen aus. Ich weiß nicht, was ich tun soll. Hast du eine Ahnung, was mit ihm los ist?“
Natürlich wusste er, was los war. Cian versank mal wieder in seinem quartalsmäßigen Liebeskummer, den er mit Drogen zu kurieren versuchte. Es kotzte ihn an, dass sie ihn so sehen musste.
„Ich komme mit und werde sehen, was ich für ihn tun kann“,
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