Liebhaberstück Xenia (German Edition)
abgesagt hatte und sonst der Gruppenrabatt bei den Flugtickets verloren ging.
Egal! Auf jeden Fall fuhr ich mit.
Aus einer spontanen Laune heraus. Weil ich es mir mit meinem jetzigen Einkommen leisten konnte, spontane Launen zu haben. Und weil ich Irland noch nie gesehen hatte.
Colin war zugleich Inhaber und Star der Dubliner Tanzschule, wo der Kurs stattfand. Colin O’Fliery war Weltmeister im irischen Stepptanz und ein lustiger Gesprächspartner mit intelligentem Wortwitz, herrlich blauen Augen und dunkelbraunem Haar.
Daneben war er, wie sich bei einer Kaffeepause zwischen zwei Trainingseinheiten zufällig herausstellte, Großcousin der irischen Umweltkämpferin Gwen O’Connor, die bei dieser Su rvival-Kundgebung in Berlin gesprochen hatte.
A ußerdem war er ein Gott in Steppschuhen mit einer kraftvollen Leidenschaft beim Tanzen, die irgendwo zwischen „Lord of the Dance“ und IRA lag, und natürlich ein echter Ire. Das alles qualifizierte ihn dafür, dass eine Frau wie ich ihn anschmachtete.
Wie gut, dass meine Großeltern mir seinerzeit diese be iden Sprachreisen nach London spendiert hatten, so dass mein Englisch zwar unbeholfen langsam, aber dennoch ausreichend war für die guten Gespräche mit Colin. Von Gespräch zu Gespräch wurde mein Englisch flüssiger.
Er flirtete intensiv mit mir.
Intensiv nicht auf plump lästige, sondern auf dieselbe inbrünstig authentische Art und Weise, in der er auch tanzte. Ich genoss es als eines der seltenen Geschenke des männlichen Gottes, gab jedoch Colins Werben nicht gleich nach, denn ich war ja nicht so eine , und spürte, dass ich dadurch erst recht sein Interesse weckte.
Kurz darauf machte Colin mit seiner Tanzschule eine Europatournee mit seiner Show „King of the Fairies“ und hielt auch Station in München. Für die Aufführung sagte ich zu Herrn Engelrichs Unmut eine Schulung über Nahrungsergänzungen ab, die ich halten sollte, und flog stattdessen nach München zu Colins Show.
Zwar war sie ausverkauft, doch Colin gab Olive und mir Freikarten für die erste Reihe. Dafür bestand er darauf, dass ich mit ihm typisch deutsch essen ging. Ins Hofbräuhaus. Weil er schon so viel davon gehört hatte.
Ihm zuli ebe kaufte ich schnell noch ein Dirndl, ging ihm zuliebe mit ins Hofbräuhaus und tat ihm zuliebe so, als wäre das typisch deutsch . Für das Opfer wurde ich jedoch entschädigt von Colins charmanten Gesprächsbeiträgen. Soweit ich sie über dem Lärm der unsäglichen Blasmusik hinweg verstand.
Einen ersten Kuss gestattete ich ihm jedoch erst zwei W ochen später, als seine Tanzgruppe in Hamburg gastierte und ich es so einrichtete, dass ich dort zufällig die öffentliche Konzeptpräsentation halten musste. So konnte ich mich mit Colin treffen, ohne dass er glaubte, ich wäre ihm hinterher gereist.
Er sah ja selbst, dass ich am Montag keine Zeit für ihn hatte wegen der öffentlichen Konzeptpräsentation! Und weil ich mich anschließend noch mit Hamburger Geschäftspartnern traf.
Als ich mich am Dienstag von ihm verabschiedete, da er weiter nach Brüssel und ich zurück nach Berlin fuhr, küsste er mich dann. Mitten in der Bahnhofshalle.
Es war ein zärtlicher Kuss und doch leidenschaftlich, eine atemberaubende irische Mischung aus Barde und Keltenkrieger.
Auf den letzten Drücker stieg er in den Zug . Er winkte durch das Abteilfenster, und ich warf ihm eine Kusshand zu. Es war ein so herrlich traurig-glückliches Gefühl, ihm noch lange hinterher zu seufzen, als sein Zug schon längst abgefahren war. Seinen Kuss noch auf den Lippen zu spüren.
Seitdem bekam ich zärtliche Emails von ihm. In einer g estand er mir, dass er sich in mich verliebt hatte. Es war so wunderbar romantisch. Und es machte mich so glücklich.
Colin wollte, dass wir die ersten beiden Augustwochen z usammen Urlaub machten, denn da hatte er keine Auftritte, und seine Tanzschule war geschlossen. Aber das war noch so lange hin! Doch um keinen Preis wollte ich ihm nach Dublin nachreisen, denn nach den Ratschlägen meiner Großmutter über den Umgang mit Männern wäre das ein Riesenfehler gewesen.
Und ich wollte doch alles richtig machen.
Dann kam mir der Zufall zu Hilfe.
Es war wieder Beltaine, die Maiennacht. Draußen auf der kleinen Waldlichtung.
Die Nacht war sehr mild für diese Jahreszeit, was Freya und mir erlaubte, uns nach unserem Ritual auf den Waldboden vor den Altar zu setzen und das Jahresrad zu essen, das wir heute Nachmittag aus Hefeteig gebacken hatten.
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